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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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gen, so kann eine Voraussage über das Wetter, die
auf eine genaue Betrachtung der Handlungen der
Thiere gegründet ist, mehr Anhalt gewähren, als
die aus allen wissenschaftlichen Werkzeugen zusammen
genommen."

"Ihr eröffnet da eine neue Richtung."

"Die Menschen haben darin schon vieles erfahren.
Die besten Wetterkenner sind die Insekten und über¬
haupt die kleinen Thiere. Sie sind aber viel schwerer
zu beobachten, da sie, wenn man dies thun will, nicht
leicht zu finden sind, und da man ihre Handlungen
auch nicht immer leicht versteht. Aber von kleineren
Thieren hängen oft größere ab, deren Speise jene sind,
und die Handlungen kleinerer Thiere haben Handlun¬
gen größerer zur Folge, welche der Mensch leichter
überblickt. Freilich steht da ein Schluß in der Mitte,
der die Gefahr zu irren größer macht, als sie bei der
unmittelbaren Betrachtung und der gleichsam reden¬
den Thatsache ist. Warum, damit ich ein Beispiel an¬
führe, steigt der Laubfrosch tiefer, wenn Regen folgen
soll, warum fliegt die Schwalbe niedriger und springt
der Fisch aus dem Wasser? Die Gefahr zu irren wird
wohl bei oftmaliger Wiederholung der Beobachtung
und bei sorglicher Vergleichung geringer; aber das

gen, ſo kann eine Vorausſage über das Wetter, die
auf eine genaue Betrachtung der Handlungen der
Thiere gegründet iſt, mehr Anhalt gewähren, als
die aus allen wiſſenſchaftlichen Werkzeugen zuſammen
genommen.“

„Ihr eröffnet da eine neue Richtung.“

„Die Menſchen haben darin ſchon vieles erfahren.
Die beſten Wetterkenner ſind die Inſekten und über¬
haupt die kleinen Thiere. Sie ſind aber viel ſchwerer
zu beobachten, da ſie, wenn man dies thun will, nicht
leicht zu finden ſind, und da man ihre Handlungen
auch nicht immer leicht verſteht. Aber von kleineren
Thieren hängen oft größere ab, deren Speiſe jene ſind,
und die Handlungen kleinerer Thiere haben Handlun¬
gen größerer zur Folge, welche der Menſch leichter
überblickt. Freilich ſteht da ein Schluß in der Mitte,
der die Gefahr zu irren größer macht, als ſie bei der
unmittelbaren Betrachtung und der gleichſam reden¬
den Thatſache iſt. Warum, damit ich ein Beiſpiel an¬
führe, ſteigt der Laubfroſch tiefer, wenn Regen folgen
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[180/0194] gen, ſo kann eine Vorausſage über das Wetter, die auf eine genaue Betrachtung der Handlungen der Thiere gegründet iſt, mehr Anhalt gewähren, als die aus allen wiſſenſchaftlichen Werkzeugen zuſammen genommen.“ „Ihr eröffnet da eine neue Richtung.“ „Die Menſchen haben darin ſchon vieles erfahren. Die beſten Wetterkenner ſind die Inſekten und über¬ haupt die kleinen Thiere. Sie ſind aber viel ſchwerer zu beobachten, da ſie, wenn man dies thun will, nicht leicht zu finden ſind, und da man ihre Handlungen auch nicht immer leicht verſteht. Aber von kleineren Thieren hängen oft größere ab, deren Speiſe jene ſind, und die Handlungen kleinerer Thiere haben Handlun¬ gen größerer zur Folge, welche der Menſch leichter überblickt. Freilich ſteht da ein Schluß in der Mitte, der die Gefahr zu irren größer macht, als ſie bei der unmittelbaren Betrachtung und der gleichſam reden¬ den Thatſache iſt. Warum, damit ich ein Beiſpiel an¬ führe, ſteigt der Laubfroſch tiefer, wenn Regen folgen ſoll, warum fliegt die Schwalbe niedriger und ſpringt der Fiſch aus dem Waſſer? Die Gefahr zu irren wird wohl bei oftmaliger Wiederholung der Beobachtung und bei ſorglicher Vergleichung geringer; aber das

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/194>, abgerufen am 21.11.2024.