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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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wiederte er, "weil es an unserem Himmel und in un¬
serem Garten oft schon so gewesen ist wie gestern, und
stets so geworden ist, wie heute in der Nacht."

"Das ist ein weites Feld, von dem ihr da redet,"
sagte ich, "und da steht der menschlichen Erkenntniß
ein nicht unwichtiger Gegenstand gegenüber. Er be¬
weist wieder, daß jedes Wissen Ausläufe hat, die man
oft nicht ahnt, und wie man die kleinsten Dinge nicht
vernachlässigen soll, wenn man auch noch nicht weiß,
wie sie mit den größeren zusammenhängen. So kamen
wohl auch die größten Männer zu den Werken, die
wir bewundern, und so kann mit Hereinbeziehung
dessen, von dem ihr redet, die Witterungskunde einer
großen Erweiterung fähig sein."

"Diesen Glauben hege ich auch," erwiederte er. "Euch
Jüngeren wird es in den Naturwissenschaften über¬
haupt leichter, als es den Älteren geworden ist. Man
schlägt jezt mehr die Wege des Beobachtens und der
Versuche ein, statt daß man früher mehr den Vermu¬
thungen Lehrmeinungen ja Einbildungen hingegeben
war. Diese Wege wurden lange nicht klar, obgleich
sie Einzelne wohl zu allen Zeiten gegangen sind. Je
mehr Boden man auf die neue Weise gewinnt, desto
mehr Stoff hat man als Hilfe zu fernern Erringun¬

wiederte er, „weil es an unſerem Himmel und in un¬
ſerem Garten oft ſchon ſo geweſen iſt wie geſtern, und
ſtets ſo geworden iſt, wie heute in der Nacht.“

„Das iſt ein weites Feld, von dem ihr da redet,“
ſagte ich, „und da ſteht der menſchlichen Erkenntniß
ein nicht unwichtiger Gegenſtand gegenüber. Er be¬
weiſt wieder, daß jedes Wiſſen Ausläufe hat, die man
oft nicht ahnt, und wie man die kleinſten Dinge nicht
vernachläſſigen ſoll, wenn man auch noch nicht weiß,
wie ſie mit den größeren zuſammenhängen. So kamen
wohl auch die größten Männer zu den Werken, die
wir bewundern, und ſo kann mit Hereinbeziehung
deſſen, von dem ihr redet, die Witterungskunde einer
großen Erweiterung fähig ſein.“

„Dieſen Glauben hege ich auch,“ erwiederte er. „Euch
Jüngeren wird es in den Naturwiſſenſchaften über¬
haupt leichter, als es den Älteren geworden iſt. Man
ſchlägt jezt mehr die Wege des Beobachtens und der
Verſuche ein, ſtatt daß man früher mehr den Vermu¬
thungen Lehrmeinungen ja Einbildungen hingegeben
war. Dieſe Wege wurden lange nicht klar, obgleich
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[184/0198] wiederte er, „weil es an unſerem Himmel und in un¬ ſerem Garten oft ſchon ſo geweſen iſt wie geſtern, und ſtets ſo geworden iſt, wie heute in der Nacht.“ „Das iſt ein weites Feld, von dem ihr da redet,“ ſagte ich, „und da ſteht der menſchlichen Erkenntniß ein nicht unwichtiger Gegenſtand gegenüber. Er be¬ weiſt wieder, daß jedes Wiſſen Ausläufe hat, die man oft nicht ahnt, und wie man die kleinſten Dinge nicht vernachläſſigen ſoll, wenn man auch noch nicht weiß, wie ſie mit den größeren zuſammenhängen. So kamen wohl auch die größten Männer zu den Werken, die wir bewundern, und ſo kann mit Hereinbeziehung deſſen, von dem ihr redet, die Witterungskunde einer großen Erweiterung fähig ſein.“ „Dieſen Glauben hege ich auch,“ erwiederte er. „Euch Jüngeren wird es in den Naturwiſſenſchaften über¬ haupt leichter, als es den Älteren geworden iſt. Man ſchlägt jezt mehr die Wege des Beobachtens und der Verſuche ein, ſtatt daß man früher mehr den Vermu¬ thungen Lehrmeinungen ja Einbildungen hingegeben war. Dieſe Wege wurden lange nicht klar, obgleich ſie Einzelne wohl zu allen Zeiten gegangen ſind. Je mehr Boden man auf die neue Weiſe gewinnt, deſto mehr Stoff hat man als Hilfe zu fernern Erringun¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/198>, abgerufen am 24.11.2024.