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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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eine Fee, welche in unsern Bilderbüchern abgebildet
war. Dabei fiel uns auf, daß sie immer ganz ein¬
fache obwohl sehr glänzende Steine hatte, und daß ihr
der Vater nie die geschnittenen umhing, von denen er
doch sagte, daß sie so schöne Gestalten in sich hätten.

Da wir Kinder noch sehr jung waren, brachte die
Mutter den Sommer immer mit uns auf dem Lande
zu. Der Vater konnte uns nicht Gesellschaft leisten,
weil ihn seine Geschäfte in der Stadt festhielten; aber
an jedem Sonntage und an jedem Festtage kam er,
blieb den ganzen Tag bei uns, und ließ sich von uns
beherbergen. Im Laufe der Woche besuchten wir ihn
einmal bisweilen auch zweimal in der Stadt, in wel¬
chem Falle er uns dann bewirthete und beherbergte.

Dies hörte endlich auf, anfänglich weil der Vater
älter wurde, und die Mutter, die er sehr verehrte,
nicht mehr leicht entbehren konnte; später aber aus
dem Grunde, weil es ihm gelungen war, in der Vor¬
stadt ein Haus mit einem Garten zu erwerben, wo
wir freie Luft genießen, uns bewegen, und gleichsam
das ganze Jahr hindurch auf dem Lande wohnen
konnten.

Die Erwerbung des Vorstadthauses war eine große
Freude. Es wurde nun von dem alten finstern Stadt¬

eine Fee, welche in unſern Bilderbüchern abgebildet
war. Dabei fiel uns auf, daß ſie immer ganz ein¬
fache obwohl ſehr glänzende Steine hatte, und daß ihr
der Vater nie die geſchnittenen umhing, von denen er
doch ſagte, daß ſie ſo ſchöne Geſtalten in ſich hätten.

Da wir Kinder noch ſehr jung waren, brachte die
Mutter den Sommer immer mit uns auf dem Lande
zu. Der Vater konnte uns nicht Geſellſchaft leiſten,
weil ihn ſeine Geſchäfte in der Stadt feſthielten; aber
an jedem Sonntage und an jedem Feſttage kam er,
blieb den ganzen Tag bei uns, und ließ ſich von uns
beherbergen. Im Laufe der Woche beſuchten wir ihn
einmal bisweilen auch zweimal in der Stadt, in wel¬
chem Falle er uns dann bewirthete und beherbergte.

Dies hörte endlich auf, anfänglich weil der Vater
älter wurde, und die Mutter, die er ſehr verehrte,
nicht mehr leicht entbehren konnte; ſpäter aber aus
dem Grunde, weil es ihm gelungen war, in der Vor¬
ſtadt ein Haus mit einem Garten zu erwerben, wo
wir freie Luft genießen, uns bewegen, und gleichſam
das ganze Jahr hindurch auf dem Lande wohnen
konnten.

Die Erwerbung des Vorſtadthauſes war eine große
Freude. Es wurde nun von dem alten finſtern Stadt¬

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[7/0021] eine Fee, welche in unſern Bilderbüchern abgebildet war. Dabei fiel uns auf, daß ſie immer ganz ein¬ fache obwohl ſehr glänzende Steine hatte, und daß ihr der Vater nie die geſchnittenen umhing, von denen er doch ſagte, daß ſie ſo ſchöne Geſtalten in ſich hätten. Da wir Kinder noch ſehr jung waren, brachte die Mutter den Sommer immer mit uns auf dem Lande zu. Der Vater konnte uns nicht Geſellſchaft leiſten, weil ihn ſeine Geſchäfte in der Stadt feſthielten; aber an jedem Sonntage und an jedem Feſttage kam er, blieb den ganzen Tag bei uns, und ließ ſich von uns beherbergen. Im Laufe der Woche beſuchten wir ihn einmal bisweilen auch zweimal in der Stadt, in wel¬ chem Falle er uns dann bewirthete und beherbergte. Dies hörte endlich auf, anfänglich weil der Vater älter wurde, und die Mutter, die er ſehr verehrte, nicht mehr leicht entbehren konnte; ſpäter aber aus dem Grunde, weil es ihm gelungen war, in der Vor¬ ſtadt ein Haus mit einem Garten zu erwerben, wo wir freie Luft genießen, uns bewegen, und gleichſam das ganze Jahr hindurch auf dem Lande wohnen konnten. Die Erwerbung des Vorſtadthauſes war eine große Freude. Es wurde nun von dem alten finſtern Stadt¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/21>, abgerufen am 28.04.2024.