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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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von ganzen Bäumen entstellt war, habe ich oft ge¬
sehen. Allein ich habe es für kein großes Übel gehal¬
ten, und habe auf kein schlechtes Jahr geschlossen, weil
ich wußte, daß diese Zerstörungen immer vorkommen,
und daß ihr Schaden, wenn sie nicht im Übermaße
auftreten, nicht erheblich ist. Ich betrachtete die Er¬
scheinung als ein Ding, das so sein muß."

"Daran möchtet ihr Unrecht gethan haben," sagte
mein Gastfreund, "einen Schaden bringt diese Erschei¬
nung immer, und wenn man ihn nach ganzen Länder¬
strichen berechnete, so könnte er ein sehr beträchtlicher
sein, zu dem noch der andere kömmt, daß man den ent¬
laubten Baum anschauen muß. Auch ist das Ding keine
Erscheinung, die so sein muß. Es gibt ein Mittel
dagegen, und zwar ein Mittel, das außer seiner
Wirksamkeit auch noch sehr schön ist, und also zum
Nuzen einen Genuß beschert, durch den uns die Na¬
tur gleichsam zu seiner Anwendung leiten will. Aber
dennoch, wie ich früher sagte, wird dieses Mittel
unter allen am wenigsten gebraucht, ja man beei¬
fert sich sogar an vielen Orten es zu zerstören. Ihr
solltet das Mittel schon wahrgenommen haben."

Ich sah ihn fragend an.

von ganzen Bäumen entſtellt war, habe ich oft ge¬
ſehen. Allein ich habe es für kein großes Übel gehal¬
ten, und habe auf kein ſchlechtes Jahr geſchloſſen, weil
ich wußte, daß dieſe Zerſtörungen immer vorkommen,
und daß ihr Schaden, wenn ſie nicht im Übermaße
auftreten, nicht erheblich iſt. Ich betrachtete die Er¬
ſcheinung als ein Ding, das ſo ſein muß.“

„Daran möchtet ihr Unrecht gethan haben,“ ſagte
mein Gaſtfreund, „einen Schaden bringt dieſe Erſchei¬
nung immer, und wenn man ihn nach ganzen Länder¬
ſtrichen berechnete, ſo könnte er ein ſehr beträchtlicher
ſein, zu dem noch der andere kömmt, daß man den ent¬
laubten Baum anſchauen muß. Auch iſt das Ding keine
Erſcheinung, die ſo ſein muß. Es gibt ein Mittel
dagegen, und zwar ein Mittel, das außer ſeiner
Wirkſamkeit auch noch ſehr ſchön iſt, und alſo zum
Nuzen einen Genuß beſchert, durch den uns die Na¬
tur gleichſam zu ſeiner Anwendung leiten will. Aber
dennoch, wie ich früher ſagte, wird dieſes Mittel
unter allen am wenigſten gebraucht, ja man beei¬
fert ſich ſogar an vielen Orten es zu zerſtören. Ihr
ſolltet das Mittel ſchon wahrgenommen haben.“

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[230/0244] von ganzen Bäumen entſtellt war, habe ich oft ge¬ ſehen. Allein ich habe es für kein großes Übel gehal¬ ten, und habe auf kein ſchlechtes Jahr geſchloſſen, weil ich wußte, daß dieſe Zerſtörungen immer vorkommen, und daß ihr Schaden, wenn ſie nicht im Übermaße auftreten, nicht erheblich iſt. Ich betrachtete die Er¬ ſcheinung als ein Ding, das ſo ſein muß.“ „Daran möchtet ihr Unrecht gethan haben,“ ſagte mein Gaſtfreund, „einen Schaden bringt dieſe Erſchei¬ nung immer, und wenn man ihn nach ganzen Länder¬ ſtrichen berechnete, ſo könnte er ein ſehr beträchtlicher ſein, zu dem noch der andere kömmt, daß man den ent¬ laubten Baum anſchauen muß. Auch iſt das Ding keine Erſcheinung, die ſo ſein muß. Es gibt ein Mittel dagegen, und zwar ein Mittel, das außer ſeiner Wirkſamkeit auch noch ſehr ſchön iſt, und alſo zum Nuzen einen Genuß beſchert, durch den uns die Na¬ tur gleichſam zu ſeiner Anwendung leiten will. Aber dennoch, wie ich früher ſagte, wird dieſes Mittel unter allen am wenigſten gebraucht, ja man beei¬ fert ſich ſogar an vielen Orten es zu zerſtören. Ihr ſolltet das Mittel ſchon wahrgenommen haben.“ Ich ſah ihn fragend an.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/244>, abgerufen am 13.05.2024.