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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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"Habt ihr nicht etwas in unserem Garten gehört,
das euch besonders auffallend war?" fragte er.

"Den Vogelgesang," sagte ich plözlich.

"Ihr habt richtig bemerkt," erwiederte er. "Die
Vögel sind in diesem Garten unser Mittel gegen Rau¬
pen und schädliches Ungeziefer. Diese sind es, welche
die Bäume Gesträuche die kleinen Pflanzen und na¬
türlich auch die Rosen weit besser reinigen, als es
Menschenhände oder was immer für Mittel zu be¬
werkstelligen im Stande wären. Seit diese angeneh¬
men Arbeiter uns Hilfe leisten, hat sich in unserm
Garten so wie im heurigen Jahre auch sonst nie mehr
ein Raupenfraß eingefunden, der nur im Geringsten
bemerkbar gewesen wäre."

"Aber Vögel sind ja an allen Orten," entgegnete
ich. "Sollten sie in eurem Garten mehr sein, um ihn
mehr schüzen zu können?"

"Sie sind auch mehr in unserem Garten," erwie¬
derte er, "weit mehr als an jeder Stelle dieses Landes
und vielleicht auch anderer Länder."

"Und wie ist denn diese Mehrheit hieher gebracht
worden?" fragte ich.

"Es ist so, wie ich früher von den Bäumen gesagt
habe, man muß ihnen die Bedingungen ihres Ge¬

„Habt ihr nicht etwas in unſerem Garten gehört,
das euch beſonders auffallend war?“ fragte er.

„Den Vogelgeſang,“ ſagte ich plözlich.

„Ihr habt richtig bemerkt,“ erwiederte er. „Die
Vögel ſind in dieſem Garten unſer Mittel gegen Rau¬
pen und ſchädliches Ungeziefer. Dieſe ſind es, welche
die Bäume Geſträuche die kleinen Pflanzen und na¬
türlich auch die Roſen weit beſſer reinigen, als es
Menſchenhände oder was immer für Mittel zu be¬
werkſtelligen im Stande wären. Seit dieſe angeneh¬
men Arbeiter uns Hilfe leiſten, hat ſich in unſerm
Garten ſo wie im heurigen Jahre auch ſonſt nie mehr
ein Raupenfraß eingefunden, der nur im Geringſten
bemerkbar geweſen wäre.“

„Aber Vögel ſind ja an allen Orten,“ entgegnete
ich. „Sollten ſie in eurem Garten mehr ſein, um ihn
mehr ſchüzen zu können?“

„Sie ſind auch mehr in unſerem Garten,“ erwie¬
derte er, „weit mehr als an jeder Stelle dieſes Landes
und vielleicht auch anderer Länder.“

„Und wie iſt denn dieſe Mehrheit hieher gebracht
worden?“ fragte ich.

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[231/0245] „Habt ihr nicht etwas in unſerem Garten gehört, das euch beſonders auffallend war?“ fragte er. „Den Vogelgeſang,“ ſagte ich plözlich. „Ihr habt richtig bemerkt,“ erwiederte er. „Die Vögel ſind in dieſem Garten unſer Mittel gegen Rau¬ pen und ſchädliches Ungeziefer. Dieſe ſind es, welche die Bäume Geſträuche die kleinen Pflanzen und na¬ türlich auch die Roſen weit beſſer reinigen, als es Menſchenhände oder was immer für Mittel zu be¬ werkſtelligen im Stande wären. Seit dieſe angeneh¬ men Arbeiter uns Hilfe leiſten, hat ſich in unſerm Garten ſo wie im heurigen Jahre auch ſonſt nie mehr ein Raupenfraß eingefunden, der nur im Geringſten bemerkbar geweſen wäre.“ „Aber Vögel ſind ja an allen Orten,“ entgegnete ich. „Sollten ſie in eurem Garten mehr ſein, um ihn mehr ſchüzen zu können?“ „Sie ſind auch mehr in unſerem Garten,“ erwie¬ derte er, „weit mehr als an jeder Stelle dieſes Landes und vielleicht auch anderer Länder.“ „Und wie iſt denn dieſe Mehrheit hieher gebracht worden?“ fragte ich. „Es iſt ſo, wie ich früher von den Bäumen geſagt habe, man muß ihnen die Bedingungen ihres Ge¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/245>, abgerufen am 13.05.2024.