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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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denen die kunstreichste Musik aufgeführt wurde, die
selten zu hören ist. Zwar singt ein Vogel in einem
Käfiche auch; denn der Vogel ist leichtsinnig, er er¬
schrickt zwar heftig, er fürchtet sich; aber bald ist der
Schrecken und die Furcht vergessen, er hüpft auf einen
Halt für seine Füsse, und trällert dort das Lied, das
er gelernt hat, und das er immer wiederholt. Wenn
er jung und sogar auch alt gefangen wird, vergißt er
sich und sein Leid, wird ein Hin- und Widerhüpfer in
kleinem Raume, da er sonst einen großen brauchte,
und singt seine Weise; aber dieser Gesang ist ein Ge¬
sang der Gewohnheit, nicht der Lust. Wir haben an
unserm Garten einen ungeheueren Käfich ohne Draht
Stangen und Vogelthürchen, in welchem der Vogel
vor außerordentlicher Freude, der er sich so leicht hin¬
gibt, singt, in welchem wir das Zusammentönen vieler
Stimmen hören können, das in einem Zimmer bei¬
sammen nur ein Geschrei wäre, und in welchem wir
endlich die häusliche Wirthschaft der Vögel und ihre
Geberden sehen können, die so verschieden sind und
oft dem tiefsten Ernste ein Lächeln abgewinnen kön¬
nen. Man hat uns in diesem Hegen von Vögeln in
einem Garten nicht nachgeahmt. Die Leute sind nicht
verhärtet gegen die Schönheit des Vogels und gegen

denen die kunſtreichſte Muſik aufgeführt wurde, die
ſelten zu hören iſt. Zwar ſingt ein Vogel in einem
Käfiche auch; denn der Vogel iſt leichtſinnig, er er¬
ſchrickt zwar heftig, er fürchtet ſich; aber bald iſt der
Schrecken und die Furcht vergeſſen, er hüpft auf einen
Halt für ſeine Füſſe, und trällert dort das Lied, das
er gelernt hat, und das er immer wiederholt. Wenn
er jung und ſogar auch alt gefangen wird, vergißt er
ſich und ſein Leid, wird ein Hin- und Widerhüpfer in
kleinem Raume, da er ſonſt einen großen brauchte,
und ſingt ſeine Weiſe; aber dieſer Geſang iſt ein Ge¬
ſang der Gewohnheit, nicht der Luſt. Wir haben an
unſerm Garten einen ungeheueren Käfich ohne Draht
Stangen und Vogelthürchen, in welchem der Vogel
vor außerordentlicher Freude, der er ſich ſo leicht hin¬
gibt, ſingt, in welchem wir das Zuſammentönen vieler
Stimmen hören können, das in einem Zimmer bei¬
ſammen nur ein Geſchrei wäre, und in welchem wir
endlich die häusliche Wirthſchaft der Vögel und ihre
Geberden ſehen können, die ſo verſchieden ſind und
oft dem tiefſten Ernſte ein Lächeln abgewinnen kön¬
nen. Man hat uns in dieſem Hegen von Vögeln in
einem Garten nicht nachgeahmt. Die Leute ſind nicht
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[245/0259] denen die kunſtreichſte Muſik aufgeführt wurde, die ſelten zu hören iſt. Zwar ſingt ein Vogel in einem Käfiche auch; denn der Vogel iſt leichtſinnig, er er¬ ſchrickt zwar heftig, er fürchtet ſich; aber bald iſt der Schrecken und die Furcht vergeſſen, er hüpft auf einen Halt für ſeine Füſſe, und trällert dort das Lied, das er gelernt hat, und das er immer wiederholt. Wenn er jung und ſogar auch alt gefangen wird, vergißt er ſich und ſein Leid, wird ein Hin- und Widerhüpfer in kleinem Raume, da er ſonſt einen großen brauchte, und ſingt ſeine Weiſe; aber dieſer Geſang iſt ein Ge¬ ſang der Gewohnheit, nicht der Luſt. Wir haben an unſerm Garten einen ungeheueren Käfich ohne Draht Stangen und Vogelthürchen, in welchem der Vogel vor außerordentlicher Freude, der er ſich ſo leicht hin¬ gibt, ſingt, in welchem wir das Zuſammentönen vieler Stimmen hören können, das in einem Zimmer bei¬ ſammen nur ein Geſchrei wäre, und in welchem wir endlich die häusliche Wirthſchaft der Vögel und ihre Geberden ſehen können, die ſo verſchieden ſind und oft dem tiefſten Ernſte ein Lächeln abgewinnen kön¬ nen. Man hat uns in dieſem Hegen von Vögeln in einem Garten nicht nachgeahmt. Die Leute ſind nicht verhärtet gegen die Schönheit des Vogels und gegen

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/259>, abgerufen am 21.11.2024.