Neste, und ließ sich durch unser Reden und durch un¬ sere Augen nicht beirren.
"Man muß eigentlich ehrlich gegen sie sein," sagte mein Gastfreund; "aber ich habe keine Larve in der Hand, darum bitte ich dich, Gustav, gehe in das Haus, und hole mir eine."
Der Jüngling wendete sich schnell um, und eilte in das Haus.
Indessen führte mich mein Begleiter eine Strecke vorwärts, und zeigte mir neuerdings in einer Hecke unter Dornen ein Nest, in welchem eine Ammer saß.
"Diese sizt auf ihren Jungen, die noch kaum die ersten Härchen haben, und erwärmt sie," sagte mein Begleiter. "Sie kann nicht viel von ihnen weg, darum bringt den meisten Theil der Nahrung der Vater her¬ bei. Nach einigen Tagen aber werden sie schon so stark, daß sie der Mutter überall hervor sehen, wenn sie sich auch zeitweilig auf sie sezt."
Auch die Ammer flog bei unserer Annäherung nicht auf, sondern sah uns ruhig an.
So zeigte mir mein Begleiter noch ein paar Nester, in denen Junge waren, die, wenn sie sich al¬ lein befanden, auf das Geräusch unserer Annäherung die gelben Schnäbel aufsperrten, und Nahrung er¬
Neſte, und ließ ſich durch unſer Reden und durch un¬ ſere Augen nicht beirren.
„Man muß eigentlich ehrlich gegen ſie ſein,“ ſagte mein Gaſtfreund; „aber ich habe keine Larve in der Hand, darum bitte ich dich, Guſtav, gehe in das Haus, und hole mir eine.“
Der Jüngling wendete ſich ſchnell um, und eilte in das Haus.
Indeſſen führte mich mein Begleiter eine Strecke vorwärts, und zeigte mir neuerdings in einer Hecke unter Dornen ein Neſt, in welchem eine Ammer ſaß.
„Dieſe ſizt auf ihren Jungen, die noch kaum die erſten Härchen haben, und erwärmt ſie,“ ſagte mein Begleiter. „Sie kann nicht viel von ihnen weg, darum bringt den meiſten Theil der Nahrung der Vater her¬ bei. Nach einigen Tagen aber werden ſie ſchon ſo ſtark, daß ſie der Mutter überall hervor ſehen, wenn ſie ſich auch zeitweilig auf ſie ſezt.“
Auch die Ammer flog bei unſerer Annäherung nicht auf, ſondern ſah uns ruhig an.
So zeigte mir mein Begleiter noch ein paar Neſter, in denen Junge waren, die, wenn ſie ſich al¬ lein befanden, auf das Geräuſch unſerer Annäherung die gelben Schnäbel aufſperrten, und Nahrung er¬
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Neſte, und ließ ſich durch unſer Reden und durch un¬
ſere Augen nicht beirren.
„Man muß eigentlich ehrlich gegen ſie ſein,“ ſagte
mein Gaſtfreund; „aber ich habe keine Larve in der
Hand, darum bitte ich dich, Guſtav, gehe in das
Haus, und hole mir eine.“
Der Jüngling wendete ſich ſchnell um, und eilte
in das Haus.
Indeſſen führte mich mein Begleiter eine Strecke
vorwärts, und zeigte mir neuerdings in einer Hecke
unter Dornen ein Neſt, in welchem eine Ammer ſaß.
„Dieſe ſizt auf ihren Jungen, die noch kaum die
erſten Härchen haben, und erwärmt ſie,“ ſagte mein
Begleiter. „Sie kann nicht viel von ihnen weg, darum
bringt den meiſten Theil der Nahrung der Vater her¬
bei. Nach einigen Tagen aber werden ſie ſchon ſo
ſtark, daß ſie der Mutter überall hervor ſehen, wenn
ſie ſich auch zeitweilig auf ſie ſezt.“
Auch die Ammer flog bei unſerer Annäherung nicht
auf, ſondern ſah uns ruhig an.
So zeigte mir mein Begleiter noch ein paar
Neſter, in denen Junge waren, die, wenn ſie ſich al¬
lein befanden, auf das Geräuſch unſerer Annäherung
die gelben Schnäbel aufſperrten, und Nahrung er¬
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/264>, abgerufen am 21.11.2024.
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