Verjagen half nicht, weil sie wieder kamen, und doch nicht Tag und Nacht jemand in der Baumschule Wache stehen konnte. Da dachte ich: die armen Diebe fres¬ sen die Rinde nur, weil sie nichts Besseres haben, hätten sie es, so ließen sie die Rinde stehen. Ich sam¬ melte nun alle Abfälle von Kohl und ähnlichen Pflan¬ zen, die im Garten und auf den Feldern übrig blieben, bewahrte sie im Keller auf, und legte sie bei Frost und hohem Schnee theilweise auf die Felder außerhalb des Gartens. Meine Absicht wurde belohnt: die Hasen fraßen von den Dingen, und ließen unsere Baum¬ schule in Ruhe. Endlich wurde die Zahl der Gäste immer mehr, da sie die wohleingerichtete Tafel ent¬ deckten ; aber weil sie mit dem Schlechtesten selbst mit den dicken Strünken des Kohles zufrieden waren, und ich mir solche von unseren Feldern und von Nachbarn leicht erwerben konnte, so fragte ich nichts darnach, und fütterte. Ich sah ihnen oft aus dem Dachfenster mit dem Fernrohre zu. Es ist possirlich, wenn sie von der Ferne herzulaufen, dem bequem daliegenden Fraße mißtrauen, Männchen machen, hüpfen, dann aber sich doch nicht helfen können, herzustürzen, und von dem Zeuge hastig fressen, das sie im Sommer nicht an¬ schauen würden. Manche Leute legten Schlingen, da
Verjagen half nicht, weil ſie wieder kamen, und doch nicht Tag und Nacht jemand in der Baumſchule Wache ſtehen konnte. Da dachte ich: die armen Diebe freſ¬ ſen die Rinde nur, weil ſie nichts Beſſeres haben, hätten ſie es, ſo ließen ſie die Rinde ſtehen. Ich ſam¬ melte nun alle Abfälle von Kohl und ähnlichen Pflan¬ zen, die im Garten und auf den Feldern übrig blieben, bewahrte ſie im Keller auf, und legte ſie bei Froſt und hohem Schnee theilweiſe auf die Felder außerhalb des Gartens. Meine Abſicht wurde belohnt: die Haſen fraßen von den Dingen, und ließen unſere Baum¬ ſchule in Ruhe. Endlich wurde die Zahl der Gäſte immer mehr, da ſie die wohleingerichtete Tafel ent¬ deckten ; aber weil ſie mit dem Schlechteſten ſelbſt mit den dicken Strünken des Kohles zufrieden waren, und ich mir ſolche von unſeren Feldern und von Nachbarn leicht erwerben konnte, ſo fragte ich nichts darnach, und fütterte. Ich ſah ihnen oft aus dem Dachfenſter mit dem Fernrohre zu. Es iſt poſſirlich, wenn ſie von der Ferne herzulaufen, dem bequem daliegenden Fraße mißtrauen, Männchen machen, hüpfen, dann aber ſich doch nicht helfen können, herzuſtürzen, und von dem Zeuge haſtig freſſen, das ſie im Sommer nicht an¬ ſchauen würden. Manche Leute legten Schlingen, da
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0269"n="255"/>
Verjagen half nicht, weil ſie wieder kamen, und doch<lb/>
nicht Tag und Nacht jemand in der Baumſchule Wache<lb/>ſtehen konnte. Da dachte ich: die armen Diebe freſ¬<lb/>ſen die Rinde nur, weil ſie nichts Beſſeres haben,<lb/>
hätten ſie es, ſo ließen ſie die Rinde ſtehen. Ich ſam¬<lb/>
melte nun alle Abfälle von Kohl und ähnlichen Pflan¬<lb/>
zen, die im Garten und auf den Feldern übrig blieben,<lb/>
bewahrte ſie im Keller auf, und legte ſie bei Froſt und<lb/>
hohem Schnee theilweiſe auf die Felder außerhalb des<lb/>
Gartens. Meine Abſicht wurde belohnt: die Haſen<lb/>
fraßen von den Dingen, und ließen unſere Baum¬<lb/>ſchule in Ruhe. Endlich wurde die Zahl der Gäſte<lb/>
immer mehr, da ſie die wohleingerichtete Tafel ent¬<lb/>
deckten ; aber weil ſie mit dem Schlechteſten ſelbſt mit<lb/>
den dicken Strünken des Kohles zufrieden waren, und<lb/>
ich mir ſolche von unſeren Feldern und von Nachbarn<lb/>
leicht erwerben konnte, ſo fragte ich nichts darnach,<lb/>
und fütterte. Ich ſah ihnen oft aus dem Dachfenſter<lb/>
mit dem Fernrohre zu. Es iſt poſſirlich, wenn ſie von<lb/>
der Ferne herzulaufen, dem bequem daliegenden Fraße<lb/>
mißtrauen, Männchen machen, hüpfen, dann aber ſich<lb/>
doch nicht helfen können, herzuſtürzen, und von dem<lb/>
Zeuge haſtig freſſen, das ſie im Sommer nicht an¬<lb/>ſchauen würden. Manche Leute legten Schlingen, da<lb/></p></div></body></text></TEI>
[255/0269]
Verjagen half nicht, weil ſie wieder kamen, und doch
nicht Tag und Nacht jemand in der Baumſchule Wache
ſtehen konnte. Da dachte ich: die armen Diebe freſ¬
ſen die Rinde nur, weil ſie nichts Beſſeres haben,
hätten ſie es, ſo ließen ſie die Rinde ſtehen. Ich ſam¬
melte nun alle Abfälle von Kohl und ähnlichen Pflan¬
zen, die im Garten und auf den Feldern übrig blieben,
bewahrte ſie im Keller auf, und legte ſie bei Froſt und
hohem Schnee theilweiſe auf die Felder außerhalb des
Gartens. Meine Abſicht wurde belohnt: die Haſen
fraßen von den Dingen, und ließen unſere Baum¬
ſchule in Ruhe. Endlich wurde die Zahl der Gäſte
immer mehr, da ſie die wohleingerichtete Tafel ent¬
deckten ; aber weil ſie mit dem Schlechteſten ſelbſt mit
den dicken Strünken des Kohles zufrieden waren, und
ich mir ſolche von unſeren Feldern und von Nachbarn
leicht erwerben konnte, ſo fragte ich nichts darnach,
und fütterte. Ich ſah ihnen oft aus dem Dachfenſter
mit dem Fernrohre zu. Es iſt poſſirlich, wenn ſie von
der Ferne herzulaufen, dem bequem daliegenden Fraße
mißtrauen, Männchen machen, hüpfen, dann aber ſich
doch nicht helfen können, herzuſtürzen, und von dem
Zeuge haſtig freſſen, das ſie im Sommer nicht an¬
ſchauen würden. Manche Leute legten Schlingen, da
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/269>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.