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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Wuchs, wie ihn niemand von der halben Million der
Einwohner der Stadt habe, wie ihn nie irgend je¬
mand gehabt habe, und wie ihn keine Künstler alter
und neuer Zeit darstellen könnten. Augen habe sie,
welche Kiesel in Wachs verwandeln und Diamanten
schmelzen könnten. Er liebe sie mit solcher Heftigkeit,
daß er manche Nacht ohne Schlaf auf seinem Lager
liege, oder in seiner Stube herum wandle. Sie lebe
nicht hier, komme aber öfter in die Stadt, er werde sie
mir zeigen, und ich müsse ihm als Freund in seiner
Lage beistehen.

Ich dachte, daß vieles in diesen Worten nicht
Ernst sein könne. Wenn er das Mädchen so sehr liebe,
so hätte er es mir oder einem andern gar nicht sagen
sollen, auch wenn wir Freunde gewesen wären.
Freunde waren wir aber nicht, wenn man das Wort
in der eigentlichen Bedeutung nimmt, wir waren es
nur, wie man es in der Stadt mit einer Redeweise
von Leuten nennt, die einander sehr bekannt sind, und
mit einander öfter umgehen. Und endlich konnte er
ja keinen Beistand von mir erwarten, der ich in der
Art mit Menschen umzugehen nicht sehr bewandert
war, und in dieser Hinsicht weit unter ihm selber
stand.

Wuchs, wie ihn niemand von der halben Million der
Einwohner der Stadt habe, wie ihn nie irgend je¬
mand gehabt habe, und wie ihn keine Künſtler alter
und neuer Zeit darſtellen könnten. Augen habe ſie,
welche Kieſel in Wachs verwandeln und Diamanten
ſchmelzen könnten. Er liebe ſie mit ſolcher Heftigkeit,
daß er manche Nacht ohne Schlaf auf ſeinem Lager
liege, oder in ſeiner Stube herum wandle. Sie lebe
nicht hier, komme aber öfter in die Stadt, er werde ſie
mir zeigen, und ich müſſe ihm als Freund in ſeiner
Lage beiſtehen.

Ich dachte, daß vieles in dieſen Worten nicht
Ernſt ſein könne. Wenn er das Mädchen ſo ſehr liebe,
ſo hätte er es mir oder einem andern gar nicht ſagen
ſollen, auch wenn wir Freunde geweſen wären.
Freunde waren wir aber nicht, wenn man das Wort
in der eigentlichen Bedeutung nimmt, wir waren es
nur, wie man es in der Stadt mit einer Redeweiſe
von Leuten nennt, die einander ſehr bekannt ſind, und
mit einander öfter umgehen. Und endlich konnte er
ja keinen Beiſtand von mir erwarten, der ich in der
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[290/0304] Wuchs, wie ihn niemand von der halben Million der Einwohner der Stadt habe, wie ihn nie irgend je¬ mand gehabt habe, und wie ihn keine Künſtler alter und neuer Zeit darſtellen könnten. Augen habe ſie, welche Kieſel in Wachs verwandeln und Diamanten ſchmelzen könnten. Er liebe ſie mit ſolcher Heftigkeit, daß er manche Nacht ohne Schlaf auf ſeinem Lager liege, oder in ſeiner Stube herum wandle. Sie lebe nicht hier, komme aber öfter in die Stadt, er werde ſie mir zeigen, und ich müſſe ihm als Freund in ſeiner Lage beiſtehen. Ich dachte, daß vieles in dieſen Worten nicht Ernſt ſein könne. Wenn er das Mädchen ſo ſehr liebe, ſo hätte er es mir oder einem andern gar nicht ſagen ſollen, auch wenn wir Freunde geweſen wären. Freunde waren wir aber nicht, wenn man das Wort in der eigentlichen Bedeutung nimmt, wir waren es nur, wie man es in der Stadt mit einer Redeweiſe von Leuten nennt, die einander ſehr bekannt ſind, und mit einander öfter umgehen. Und endlich konnte er ja keinen Beiſtand von mir erwarten, der ich in der Art mit Menſchen umzugehen nicht ſehr bewandert war, und in dieſer Hinſicht weit unter ihm ſelber ſtand.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/304>, abgerufen am 22.11.2024.