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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Ich besuchte zuweilen auch den einen oder den an¬
deren dieser jungen Leute außer der Zeit, in der wir in
Begleitung unserer Eltern zusammenkamen, und da war
ebenfalls öfter von Mädchen die Rede. Sie sagten, wie
sie diese oder jene lieben, sich vergeblich nach ihr seh¬
nen, oder von ihr Zeichen der Gegenneigung erhalten
hätten. Ich dachte, das sollten sie nicht sagen; und
wenn sie eine muthwillige Bemerkung über die Ge¬
stalt oder das Benehmen eines Mädchens ausdrück¬
ten, so erröthete ich, und es war mir, als wäre meine
Schwester beleidigt worden.

Ich ging nun öfter in die Stadt, und betrach¬
tete aufmerksamer den alten Bau unseres Erzdomes.
Seit ich die Zeichnungen von Bauwerken in dem Ro¬
senhause so genau und in solcher Menge angesehen
hatte, waren mir die Bauwerke nicht mehr so fremd
wie früher. Ich sah sie gerne an, ob sie irgend etwas
Ähnliches mit den Gegenständen hätten, die ich in
den Zeichnungen gesehen hatte. Auf meiner Reise von
dem Rosenhause in das Gebirgsthal, in welchem ich
mich später aufgehalten hatte, und von diesem Ge¬
birgsthale bis zu dem Schiffe, das mich zur Heimreise
aufnehmen sollte, war mir nichts besonders Betrach¬
tenswerthes vorgekommen. Nur einige Wegsäulen sehr

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Ich beſuchte zuweilen auch den einen oder den an¬
deren dieſer jungen Leute außer der Zeit, in der wir in
Begleitung unſerer Eltern zuſammenkamen, und da war
ebenfalls öfter von Mädchen die Rede. Sie ſagten, wie
ſie dieſe oder jene lieben, ſich vergeblich nach ihr ſeh¬
nen, oder von ihr Zeichen der Gegenneigung erhalten
hätten. Ich dachte, das ſollten ſie nicht ſagen; und
wenn ſie eine muthwillige Bemerkung über die Ge¬
ſtalt oder das Benehmen eines Mädchens ausdrück¬
ten, ſo erröthete ich, und es war mir, als wäre meine
Schweſter beleidigt worden.

Ich ging nun öfter in die Stadt, und betrach¬
tete aufmerkſamer den alten Bau unſeres Erzdomes.
Seit ich die Zeichnungen von Bauwerken in dem Ro¬
ſenhauſe ſo genau und in ſolcher Menge angeſehen
hatte, waren mir die Bauwerke nicht mehr ſo fremd
wie früher. Ich ſah ſie gerne an, ob ſie irgend etwas
Ähnliches mit den Gegenſtänden hätten, die ich in
den Zeichnungen geſehen hatte. Auf meiner Reiſe von
dem Roſenhauſe in das Gebirgsthal, in welchem ich
mich ſpäter aufgehalten hatte, und von dieſem Ge¬
birgsthale bis zu dem Schiffe, das mich zur Heimreiſe
aufnehmen ſollte, war mir nichts beſonders Betrach¬
tenswerthes vorgekommen. Nur einige Wegſäulen ſehr

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[291/0305] Ich beſuchte zuweilen auch den einen oder den an¬ deren dieſer jungen Leute außer der Zeit, in der wir in Begleitung unſerer Eltern zuſammenkamen, und da war ebenfalls öfter von Mädchen die Rede. Sie ſagten, wie ſie dieſe oder jene lieben, ſich vergeblich nach ihr ſeh¬ nen, oder von ihr Zeichen der Gegenneigung erhalten hätten. Ich dachte, das ſollten ſie nicht ſagen; und wenn ſie eine muthwillige Bemerkung über die Ge¬ ſtalt oder das Benehmen eines Mädchens ausdrück¬ ten, ſo erröthete ich, und es war mir, als wäre meine Schweſter beleidigt worden. Ich ging nun öfter in die Stadt, und betrach¬ tete aufmerkſamer den alten Bau unſeres Erzdomes. Seit ich die Zeichnungen von Bauwerken in dem Ro¬ ſenhauſe ſo genau und in ſolcher Menge angeſehen hatte, waren mir die Bauwerke nicht mehr ſo fremd wie früher. Ich ſah ſie gerne an, ob ſie irgend etwas Ähnliches mit den Gegenſtänden hätten, die ich in den Zeichnungen geſehen hatte. Auf meiner Reiſe von dem Roſenhauſe in das Gebirgsthal, in welchem ich mich ſpäter aufgehalten hatte, und von dieſem Ge¬ birgsthale bis zu dem Schiffe, das mich zur Heimreiſe aufnehmen ſollte, war mir nichts beſonders Betrach¬ tenswerthes vorgekommen. Nur einige Wegſäulen ſehr 19 *

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/305>, abgerufen am 23.11.2024.