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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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ßen, und ich mußte denken, daß der alte Mann Recht
habe. Wenn ich mir die Zeichnungen von Kreuzen
Rosen Sternen Nischen und dergleichen Dingen an
mittelalterlichen Baugegenständen, wie ich sie im Ro¬
senhause gesehen hatte, vergegenwärtigte, so waren
sie viel leichter zarter, und ich möchte den Ausdruck
gebrauchen, inniger als diese Sachen hier, und waren
doch nur Theile von Bauwerken, während diese
Schmuck sein sollten. Mir kam wirklich vor, daß
sie, wie er gesagt hatte, unbeholfen in Gold und un¬
beholfen in den Edelsteinen seien. Nur bei einigen
Verkaufsorten, die als die vorzüglichsten galten, fand
ich eine Ausnahme. Ich sah, daß dort die Fassungen
sehr einfach waren, ja daß man, wenn die Edelsteine
einmal eine größere Gestalt und einen höheren Werth
annahmen, schier gar keine Fassung mehr machte,
sondern nur so viel von Gold oder kleinen Diaman¬
ten anwendete, als unumgänglich nöthig schien, die
Dinge nehmen und an dem menschlichen Körper be¬
festigen zu können. Mir schien dieses schon besser,
weil hier die Edelsteine allein den Werth und die
Schönheit darstellen sollten. Ich dachte aber in mei¬
nem Herzen, daß die Edelsteine, wie schön sie auch
seien, doch nur Stoffe wären, und daß es viel vor¬

ßen, und ich mußte denken, daß der alte Mann Recht
habe. Wenn ich mir die Zeichnungen von Kreuzen
Roſen Sternen Niſchen und dergleichen Dingen an
mittelalterlichen Baugegenſtänden, wie ich ſie im Ro¬
ſenhauſe geſehen hatte, vergegenwärtigte, ſo waren
ſie viel leichter zarter, und ich möchte den Ausdruck
gebrauchen, inniger als dieſe Sachen hier, und waren
doch nur Theile von Bauwerken, während dieſe
Schmuck ſein ſollten. Mir kam wirklich vor, daß
ſie, wie er geſagt hatte, unbeholfen in Gold und un¬
beholfen in den Edelſteinen ſeien. Nur bei einigen
Verkaufsorten, die als die vorzüglichſten galten, fand
ich eine Ausnahme. Ich ſah, daß dort die Faſſungen
ſehr einfach waren, ja daß man, wenn die Edelſteine
einmal eine größere Geſtalt und einen höheren Werth
annahmen, ſchier gar keine Faſſung mehr machte,
ſondern nur ſo viel von Gold oder kleinen Diaman¬
ten anwendete, als unumgänglich nöthig ſchien, die
Dinge nehmen und an dem menſchlichen Körper be¬
feſtigen zu können. Mir ſchien dieſes ſchon beſſer,
weil hier die Edelſteine allein den Werth und die
Schönheit darſtellen ſollten. Ich dachte aber in mei¬
nem Herzen, daß die Edelſteine, wie ſchön ſie auch
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[293/0307] ßen, und ich mußte denken, daß der alte Mann Recht habe. Wenn ich mir die Zeichnungen von Kreuzen Roſen Sternen Niſchen und dergleichen Dingen an mittelalterlichen Baugegenſtänden, wie ich ſie im Ro¬ ſenhauſe geſehen hatte, vergegenwärtigte, ſo waren ſie viel leichter zarter, und ich möchte den Ausdruck gebrauchen, inniger als dieſe Sachen hier, und waren doch nur Theile von Bauwerken, während dieſe Schmuck ſein ſollten. Mir kam wirklich vor, daß ſie, wie er geſagt hatte, unbeholfen in Gold und un¬ beholfen in den Edelſteinen ſeien. Nur bei einigen Verkaufsorten, die als die vorzüglichſten galten, fand ich eine Ausnahme. Ich ſah, daß dort die Faſſungen ſehr einfach waren, ja daß man, wenn die Edelſteine einmal eine größere Geſtalt und einen höheren Werth annahmen, ſchier gar keine Faſſung mehr machte, ſondern nur ſo viel von Gold oder kleinen Diaman¬ ten anwendete, als unumgänglich nöthig ſchien, die Dinge nehmen und an dem menſchlichen Körper be¬ feſtigen zu können. Mir ſchien dieſes ſchon beſſer, weil hier die Edelſteine allein den Werth und die Schönheit darſtellen ſollten. Ich dachte aber in mei¬ nem Herzen, daß die Edelſteine, wie ſchön ſie auch ſeien, doch nur Stoffe wären, und daß es viel vor¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/307>, abgerufen am 04.06.2024.