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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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er der größte Maler wird, so thut er auch der Welt den
größten Dienst, wozu ihn Gott erschaffen hat. Dies
zeige sich immer durch einen innern Drang an, der
einen zu einem Dinge führt, und dem man folgen
soll. Wie könnte man denn sonst auch wissen, wozu
man auf der Erde bestimmt ist, ob zum Künstler zum
Feldherrn zum Richter, wenn nicht ein Geist da wäre,
der es sagt, und der zu den Dingen führt, in denen
man sein Glück und seine Befriedigung findet. Gott
lenkt es schon so, daß die Gaben gehörig vertheilt sind,
so daß jede Arbeit gethan wird, die auf der Erde zu
thun ist, und daß nicht eine Zeit eintritt, in der alle
Menschen Baumeister sind. In diesen Gaben liegen
dann auch schon die gesellschaftlichen, und bei großen
Künstlern Rechtsgelehrten Staatsmännern sei auch
immer die Billigkeit Milde Gerechtigkeit und Vater¬
landsliebe. Und aus solchen Männern, welche ihren
innern Zug am weitesten ausgebildet, seien auch in
Zeiten der Gefahr am öftesten die Helfer und Retter
ihres Vaterlandes hervorgegangen.

Es gibt solche, die sagen, sie seien zum Wohle
der Menschheit Kaufleute Ärzte Staatsdiener gewor¬
den; aber in den meisten Fällen ist es nicht wahr.
Wenn nicht der innere Beruf sie dahin gezogen hat,

Stifter, Nachsommer. I. 2

er der größte Maler wird, ſo thut er auch der Welt den
größten Dienſt, wozu ihn Gott erſchaffen hat. Dies
zeige ſich immer durch einen innern Drang an, der
einen zu einem Dinge führt, und dem man folgen
ſoll. Wie könnte man denn ſonſt auch wiſſen, wozu
man auf der Erde beſtimmt iſt, ob zum Künſtler zum
Feldherrn zum Richter, wenn nicht ein Geiſt da wäre,
der es ſagt, und der zu den Dingen führt, in denen
man ſein Glück und ſeine Befriedigung findet. Gott
lenkt es ſchon ſo, daß die Gaben gehörig vertheilt ſind,
ſo daß jede Arbeit gethan wird, die auf der Erde zu
thun iſt, und daß nicht eine Zeit eintritt, in der alle
Menſchen Baumeiſter ſind. In dieſen Gaben liegen
dann auch ſchon die geſellſchaftlichen, und bei großen
Künſtlern Rechtsgelehrten Staatsmännern ſei auch
immer die Billigkeit Milde Gerechtigkeit und Vater¬
landsliebe. Und aus ſolchen Männern, welche ihren
innern Zug am weiteſten ausgebildet, ſeien auch in
Zeiten der Gefahr am öfteſten die Helfer und Retter
ihres Vaterlandes hervorgegangen.

Es gibt ſolche, die ſagen, ſie ſeien zum Wohle
der Menſchheit Kaufleute Ärzte Staatsdiener gewor¬
den; aber in den meiſten Fällen iſt es nicht wahr.
Wenn nicht der innere Beruf ſie dahin gezogen hat,

Stifter, Nachſommer. I. 2
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[17/0031] er der größte Maler wird, ſo thut er auch der Welt den größten Dienſt, wozu ihn Gott erſchaffen hat. Dies zeige ſich immer durch einen innern Drang an, der einen zu einem Dinge führt, und dem man folgen ſoll. Wie könnte man denn ſonſt auch wiſſen, wozu man auf der Erde beſtimmt iſt, ob zum Künſtler zum Feldherrn zum Richter, wenn nicht ein Geiſt da wäre, der es ſagt, und der zu den Dingen führt, in denen man ſein Glück und ſeine Befriedigung findet. Gott lenkt es ſchon ſo, daß die Gaben gehörig vertheilt ſind, ſo daß jede Arbeit gethan wird, die auf der Erde zu thun iſt, und daß nicht eine Zeit eintritt, in der alle Menſchen Baumeiſter ſind. In dieſen Gaben liegen dann auch ſchon die geſellſchaftlichen, und bei großen Künſtlern Rechtsgelehrten Staatsmännern ſei auch immer die Billigkeit Milde Gerechtigkeit und Vater¬ landsliebe. Und aus ſolchen Männern, welche ihren innern Zug am weiteſten ausgebildet, ſeien auch in Zeiten der Gefahr am öfteſten die Helfer und Retter ihres Vaterlandes hervorgegangen. Es gibt ſolche, die ſagen, ſie ſeien zum Wohle der Menſchheit Kaufleute Ärzte Staatsdiener gewor¬ den; aber in den meiſten Fällen iſt es nicht wahr. Wenn nicht der innere Beruf ſie dahin gezogen hat, Stifter, Nachſommer. I. 2

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/31>, abgerufen am 28.04.2024.