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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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der Stirne waren gleichfalls große schwarze Augen,
der Mund war hold und unsäglich gütig, sie schien
mir unermeßlich schön. Mehr konnte ich nicht denken;
denn mir fiel plözlich ein, daß es gegen die Sitte sei,
daß ich hinter dem Gitter stehe, und die Aussteigen¬
den anschaue, während die, die sie empfangen, mir
den Rücken zuwenden, und von meiner Anwesenheit
nichts wissen. Ich ging um die Ecke des Hauses zu¬
rück, und begab mich wieder in mein Wohnzimmer.

Dort hörte ich nach einiger Zeit an Tritten und
Gesprächen, daß die ganze Gesellschaft an meinem
Zimmer vorbei den ganzen Gang entlang wahrschein¬
lich in die schönen Gemächer an der östlichen Seite
des Hauses gehe.

Was weiter an dem Wagen geschehen sei, ob
noch eine oder zwei Personen aus demselben gestiegen
seien, konnte ich nicht wissen; denn auch nicht einmal
beim Fenster wollte ich nun hinabsehen. Daß aber
Gegenstände von demselben abgepackt, und in das
Haus gebracht wurden, konnte ich an dem Reden
und Rufen der Leute erkennen. Auch den Wagen
hörte ich endlich fortfahren, wahrscheinlich wurde er in
den Meierhof gebracht.

Ich blieb immer in der Tiefe des Zimmers sizen.

der Stirne waren gleichfalls große ſchwarze Augen,
der Mund war hold und unſäglich gütig, ſie ſchien
mir unermeßlich ſchön. Mehr konnte ich nicht denken;
denn mir fiel plözlich ein, daß es gegen die Sitte ſei,
daß ich hinter dem Gitter ſtehe, und die Ausſteigen¬
den anſchaue, während die, die ſie empfangen, mir
den Rücken zuwenden, und von meiner Anweſenheit
nichts wiſſen. Ich ging um die Ecke des Hauſes zu¬
rück, und begab mich wieder in mein Wohnzimmer.

Dort hörte ich nach einiger Zeit an Tritten und
Geſprächen, daß die ganze Geſellſchaft an meinem
Zimmer vorbei den ganzen Gang entlang wahrſchein¬
lich in die ſchönen Gemächer an der öſtlichen Seite
des Hauſes gehe.

Was weiter an dem Wagen geſchehen ſei, ob
noch eine oder zwei Perſonen aus demſelben geſtiegen
ſeien, konnte ich nicht wiſſen; denn auch nicht einmal
beim Fenſter wollte ich nun hinabſehen. Daß aber
Gegenſtände von demſelben abgepackt, und in das
Haus gebracht wurden, konnte ich an dem Reden
und Rufen der Leute erkennen. Auch den Wagen
hörte ich endlich fortfahren, wahrſcheinlich wurde er in
den Meierhof gebracht.

Ich blieb immer in der Tiefe des Zimmers ſizen.

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[374/0388] der Stirne waren gleichfalls große ſchwarze Augen, der Mund war hold und unſäglich gütig, ſie ſchien mir unermeßlich ſchön. Mehr konnte ich nicht denken; denn mir fiel plözlich ein, daß es gegen die Sitte ſei, daß ich hinter dem Gitter ſtehe, und die Ausſteigen¬ den anſchaue, während die, die ſie empfangen, mir den Rücken zuwenden, und von meiner Anweſenheit nichts wiſſen. Ich ging um die Ecke des Hauſes zu¬ rück, und begab mich wieder in mein Wohnzimmer. Dort hörte ich nach einiger Zeit an Tritten und Geſprächen, daß die ganze Geſellſchaft an meinem Zimmer vorbei den ganzen Gang entlang wahrſchein¬ lich in die ſchönen Gemächer an der öſtlichen Seite des Hauſes gehe. Was weiter an dem Wagen geſchehen ſei, ob noch eine oder zwei Perſonen aus demſelben geſtiegen ſeien, konnte ich nicht wiſſen; denn auch nicht einmal beim Fenſter wollte ich nun hinabſehen. Daß aber Gegenſtände von demſelben abgepackt, und in das Haus gebracht wurden, konnte ich an dem Reden und Rufen der Leute erkennen. Auch den Wagen hörte ich endlich fortfahren, wahrſcheinlich wurde er in den Meierhof gebracht. Ich blieb immer in der Tiefe des Zimmers ſizen.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/388>, abgerufen am 22.11.2024.