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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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sie sah, fiel mir das Bild ein, welches mein Gast¬
freund einmal über manche alternde Frauen von ver¬
blühenden Rosen hergenommen hatte. "Sie gleichen
diesen verwelkenden Rosen. Wenn sie schon Falten
in ihrem Angesichte haben, so ist doch noch zwischen
den Falten eine sehr schöne liebe Farbe," hatte er ge¬
sagt, und so war es bei dieser Frau. Über die vielen
feinen Fältchen war ein so sanftes und zartes Roth,
daß man sie lieben mußte, und daß sie eine Rose die¬
ses Hauses war, die im Verblühen noch schöner sind
als andere Rosen in ihrer vollen Blüthe. Sie hatte
unter der Stirne zwei sehr große schwarze Augen,
unter dem Hute sahen zwei sehr schmale Silberstrei¬
fen des Haares hervor, und der Mund war sehr lieb
und schön. Sie stieg von dem Wagentritte herab,
und sagte die Worte: "Gott grüße dich, Gustav!"

Hiebei neigte sich der alte Mann gegen sie, sie
neigte ihr Angesicht gegen ihn, und die beiderseitigen
Lippen küßten sich zum Willkommensgruße.

Nach dieser Frau kam eine zweite Frauengestalt
aus dem Wagen. Sie hatte auch einen Schleier um
den Hut, und hatte ihn auch zurückgeschlagen. Unter
dem Hute sahen braune Locken hervor, das Antliz
war glatt und fein, sie war noch ein Mädchen. Unter

ſie ſah, fiel mir das Bild ein, welches mein Gaſt¬
freund einmal über manche alternde Frauen von ver¬
blühenden Roſen hergenommen hatte. „Sie gleichen
dieſen verwelkenden Roſen. Wenn ſie ſchon Falten
in ihrem Angeſichte haben, ſo iſt doch noch zwiſchen
den Falten eine ſehr ſchöne liebe Farbe,“ hatte er ge¬
ſagt, und ſo war es bei dieſer Frau. Über die vielen
feinen Fältchen war ein ſo ſanftes und zartes Roth,
daß man ſie lieben mußte, und daß ſie eine Roſe die¬
ſes Hauſes war, die im Verblühen noch ſchöner ſind
als andere Roſen in ihrer vollen Blüthe. Sie hatte
unter der Stirne zwei ſehr große ſchwarze Augen,
unter dem Hute ſahen zwei ſehr ſchmale Silberſtrei¬
fen des Haares hervor, und der Mund war ſehr lieb
und ſchön. Sie ſtieg von dem Wagentritte herab,
und ſagte die Worte: „Gott grüße dich, Guſtav!“

Hiebei neigte ſich der alte Mann gegen ſie, ſie
neigte ihr Angeſicht gegen ihn, und die beiderſeitigen
Lippen küßten ſich zum Willkommensgruße.

Nach dieſer Frau kam eine zweite Frauengeſtalt
aus dem Wagen. Sie hatte auch einen Schleier um
den Hut, und hatte ihn auch zurückgeſchlagen. Unter
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[373/0387] ſie ſah, fiel mir das Bild ein, welches mein Gaſt¬ freund einmal über manche alternde Frauen von ver¬ blühenden Roſen hergenommen hatte. „Sie gleichen dieſen verwelkenden Roſen. Wenn ſie ſchon Falten in ihrem Angeſichte haben, ſo iſt doch noch zwiſchen den Falten eine ſehr ſchöne liebe Farbe,“ hatte er ge¬ ſagt, und ſo war es bei dieſer Frau. Über die vielen feinen Fältchen war ein ſo ſanftes und zartes Roth, daß man ſie lieben mußte, und daß ſie eine Roſe die¬ ſes Hauſes war, die im Verblühen noch ſchöner ſind als andere Roſen in ihrer vollen Blüthe. Sie hatte unter der Stirne zwei ſehr große ſchwarze Augen, unter dem Hute ſahen zwei ſehr ſchmale Silberſtrei¬ fen des Haares hervor, und der Mund war ſehr lieb und ſchön. Sie ſtieg von dem Wagentritte herab, und ſagte die Worte: „Gott grüße dich, Guſtav!“ Hiebei neigte ſich der alte Mann gegen ſie, ſie neigte ihr Angeſicht gegen ihn, und die beiderſeitigen Lippen küßten ſich zum Willkommensgruße. Nach dieſer Frau kam eine zweite Frauengeſtalt aus dem Wagen. Sie hatte auch einen Schleier um den Hut, und hatte ihn auch zurückgeſchlagen. Unter dem Hute ſahen braune Locken hervor, das Antliz war glatt und fein, ſie war noch ein Mädchen. Unter

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/387>, abgerufen am 22.11.2024.