Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

"Er scheint nicht ganz ungerne hier zu sein," sagte
mein Gastfreund; "denn sein Angesicht wenigstens hat
noch nicht bei dem früheren so wie bei dem jezigen
Besuche die Heiterkeit verloren."

Ich hatte mich während dieser Reden gesammelt,
und sagte: "Wenn ich auch aus der großen Stadt
komme, so bin ich doch wenig mit fremden Menschen
in Verkehr getreten, und weiß daher nicht, wie mit
ihnen umzugehen ist. In diesem Hause bin ich, da
ich irrthümlich ein Gewitter fürchtete, und um einen
Unterstand herauf ging, sehr freundlich aufgenommen
worden, ich bin wohlwollend eingeladen worden wie¬
der zu kommen, und habe es gethan. Es ist mir hier
in Kurzem so lieb geworden wie bei meinen theuren
Eltern, bei welchen auch eine Regelmäßigkeit und
Ordnung herrscht wie hier. Wenn ich nicht ungelegen
bin, und die Umgebung mir nicht abgeneigt ist, so
sage ich gerne, wenn ich auch nicht weiß, ob man es
sagen darf, daß ich immer mit Freuden kommen werde,
wenn man mich einladet."

"Ihr seid eingeladen," erwiederte mein Gastfreund,
"und ihr müßt aus unsern Handlungen erkennen, daß
ihr uns sehr willkommen seid. Nun werden auch Gu¬
stavs Mutter und Schwester eine Weile in diesem

„Er ſcheint nicht ganz ungerne hier zu ſein,“ ſagte
mein Gaſtfreund; „denn ſein Angeſicht wenigſtens hat
noch nicht bei dem früheren ſo wie bei dem jezigen
Beſuche die Heiterkeit verloren.“

Ich hatte mich während dieſer Reden geſammelt,
und ſagte: „Wenn ich auch aus der großen Stadt
komme, ſo bin ich doch wenig mit fremden Menſchen
in Verkehr getreten, und weiß daher nicht, wie mit
ihnen umzugehen iſt. In dieſem Hauſe bin ich, da
ich irrthümlich ein Gewitter fürchtete, und um einen
Unterſtand herauf ging, ſehr freundlich aufgenommen
worden, ich bin wohlwollend eingeladen worden wie¬
der zu kommen, und habe es gethan. Es iſt mir hier
in Kurzem ſo lieb geworden wie bei meinen theuren
Eltern, bei welchen auch eine Regelmäßigkeit und
Ordnung herrſcht wie hier. Wenn ich nicht ungelegen
bin, und die Umgebung mir nicht abgeneigt iſt, ſo
ſage ich gerne, wenn ich auch nicht weiß, ob man es
ſagen darf, daß ich immer mit Freuden kommen werde,
wenn man mich einladet.“

„Ihr ſeid eingeladen,“ erwiederte mein Gaſtfreund,
„und ihr müßt aus unſern Handlungen erkennen, daß
ihr uns ſehr willkommen ſeid. Nun werden auch Gu¬
ſtavs Mutter und Schweſter eine Weile in dieſem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0392" n="378"/>
&#x201E;Er &#x017F;cheint nicht ganz ungerne hier zu &#x017F;ein,&#x201C; &#x017F;agte<lb/>
mein Ga&#x017F;tfreund; &#x201E;denn &#x017F;ein Ange&#x017F;icht wenig&#x017F;tens hat<lb/>
noch nicht bei dem früheren &#x017F;o wie bei dem jezigen<lb/>
Be&#x017F;uche die Heiterkeit verloren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich hatte mich während die&#x017F;er Reden ge&#x017F;ammelt,<lb/>
und &#x017F;agte: &#x201E;Wenn ich auch aus der großen Stadt<lb/>
komme, &#x017F;o bin ich doch wenig mit fremden Men&#x017F;chen<lb/>
in Verkehr getreten, und weiß daher nicht, wie mit<lb/>
ihnen umzugehen i&#x017F;t. In die&#x017F;em Hau&#x017F;e bin ich, da<lb/>
ich irrthümlich ein Gewitter fürchtete, und um einen<lb/>
Unter&#x017F;tand herauf ging, &#x017F;ehr freundlich aufgenommen<lb/>
worden, ich bin wohlwollend eingeladen worden wie¬<lb/>
der zu kommen, und habe es gethan. Es i&#x017F;t mir hier<lb/>
in Kurzem &#x017F;o lieb geworden wie bei meinen theuren<lb/>
Eltern, bei welchen auch eine Regelmäßigkeit und<lb/>
Ordnung herr&#x017F;cht wie hier. Wenn ich nicht ungelegen<lb/>
bin, und die Umgebung mir nicht abgeneigt i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;age ich gerne, wenn ich auch nicht weiß, ob man es<lb/>
&#x017F;agen darf, daß ich immer mit Freuden kommen werde,<lb/>
wenn man mich einladet.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihr &#x017F;eid eingeladen,&#x201C; erwiederte mein Ga&#x017F;tfreund,<lb/>
&#x201E;und ihr müßt aus un&#x017F;ern Handlungen erkennen, daß<lb/>
ihr uns &#x017F;ehr willkommen &#x017F;eid. Nun werden auch Gu¬<lb/>
&#x017F;tavs Mutter und Schwe&#x017F;ter eine Weile in die&#x017F;em<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0392] „Er ſcheint nicht ganz ungerne hier zu ſein,“ ſagte mein Gaſtfreund; „denn ſein Angeſicht wenigſtens hat noch nicht bei dem früheren ſo wie bei dem jezigen Beſuche die Heiterkeit verloren.“ Ich hatte mich während dieſer Reden geſammelt, und ſagte: „Wenn ich auch aus der großen Stadt komme, ſo bin ich doch wenig mit fremden Menſchen in Verkehr getreten, und weiß daher nicht, wie mit ihnen umzugehen iſt. In dieſem Hauſe bin ich, da ich irrthümlich ein Gewitter fürchtete, und um einen Unterſtand herauf ging, ſehr freundlich aufgenommen worden, ich bin wohlwollend eingeladen worden wie¬ der zu kommen, und habe es gethan. Es iſt mir hier in Kurzem ſo lieb geworden wie bei meinen theuren Eltern, bei welchen auch eine Regelmäßigkeit und Ordnung herrſcht wie hier. Wenn ich nicht ungelegen bin, und die Umgebung mir nicht abgeneigt iſt, ſo ſage ich gerne, wenn ich auch nicht weiß, ob man es ſagen darf, daß ich immer mit Freuden kommen werde, wenn man mich einladet.“ „Ihr ſeid eingeladen,“ erwiederte mein Gaſtfreund, „und ihr müßt aus unſern Handlungen erkennen, daß ihr uns ſehr willkommen ſeid. Nun werden auch Gu¬ ſtavs Mutter und Schweſter eine Weile in dieſem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/392
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/392>, abgerufen am 21.11.2024.