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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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daß ich also eine Art Zuneigung bei ihm gefunden
haben mußte.

Gegen das Ende der Rosenblüthe kam Eustachs
Bruder Roland in das Haus. Da er sich mehrere
Tage in demselben aufhielt, fand ich Gelegenheit, ihn
genauer zu beobachten. Er hatte noch nicht die Bil¬
dung seines Bruders auch nicht dessen Biegsamkeit;
aber er schien mehr Kraft zu besizen, die seinen Be¬
schäftigungen einen wirksamen Erfolg versprach. Was
mir auffiel, war, daß er mehrere Male seine dunkeln
Augen länger auf Natalien heftete, als mir schicklich
erscheinen wollte. Er hatte eine Reihe von Zeichnun¬
gen gebracht, und wollte noch einen entfernteren Theil
des Landes besuchen, ehe er wiederkehrte, um den
Stoff vollkommen zu ordnen.

Ehe Mathilde und Natalie das Rosenhaus ver¬
ließen, mußte noch der versprochene Besuch auf dem
Gute des Nachbars, welches Ingheim hieß, und von
dem Volke nicht selten der Inghof genannt wurde,
gemacht werden. Es wurde hingeschickt, und ein Tag
genannt, an dem man kommen wollte, welcher auch
angenommen wurde. Am Morgen dieses Tages wur¬
den die braunen Pferde, mit denen Mathilde gekom¬
men war, und die sie die Zeit über in dem Meierhofe

daß ich alſo eine Art Zuneigung bei ihm gefunden
haben mußte.

Gegen das Ende der Roſenblüthe kam Euſtachs
Bruder Roland in das Haus. Da er ſich mehrere
Tage in demſelben aufhielt, fand ich Gelegenheit, ihn
genauer zu beobachten. Er hatte noch nicht die Bil¬
dung ſeines Bruders auch nicht deſſen Biegſamkeit;
aber er ſchien mehr Kraft zu beſizen, die ſeinen Be¬
ſchäftigungen einen wirkſamen Erfolg verſprach. Was
mir auffiel, war, daß er mehrere Male ſeine dunkeln
Augen länger auf Natalien heftete, als mir ſchicklich
erſcheinen wollte. Er hatte eine Reihe von Zeichnun¬
gen gebracht, und wollte noch einen entfernteren Theil
des Landes beſuchen, ehe er wiederkehrte, um den
Stoff vollkommen zu ordnen.

Ehe Mathilde und Natalie das Roſenhaus ver¬
ließen, mußte noch der verſprochene Beſuch auf dem
Gute des Nachbars, welches Ingheim hieß, und von
dem Volke nicht ſelten der Inghof genannt wurde,
gemacht werden. Es wurde hingeſchickt, und ein Tag
genannt, an dem man kommen wollte, welcher auch
angenommen wurde. Am Morgen dieſes Tages wur¬
den die braunen Pferde, mit denen Mathilde gekom¬
men war, und die ſie die Zeit über in dem Meierhofe

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[420/0434] daß ich alſo eine Art Zuneigung bei ihm gefunden haben mußte. Gegen das Ende der Roſenblüthe kam Euſtachs Bruder Roland in das Haus. Da er ſich mehrere Tage in demſelben aufhielt, fand ich Gelegenheit, ihn genauer zu beobachten. Er hatte noch nicht die Bil¬ dung ſeines Bruders auch nicht deſſen Biegſamkeit; aber er ſchien mehr Kraft zu beſizen, die ſeinen Be¬ ſchäftigungen einen wirkſamen Erfolg verſprach. Was mir auffiel, war, daß er mehrere Male ſeine dunkeln Augen länger auf Natalien heftete, als mir ſchicklich erſcheinen wollte. Er hatte eine Reihe von Zeichnun¬ gen gebracht, und wollte noch einen entfernteren Theil des Landes beſuchen, ehe er wiederkehrte, um den Stoff vollkommen zu ordnen. Ehe Mathilde und Natalie das Roſenhaus ver¬ ließen, mußte noch der verſprochene Beſuch auf dem Gute des Nachbars, welches Ingheim hieß, und von dem Volke nicht ſelten der Inghof genannt wurde, gemacht werden. Es wurde hingeſchickt, und ein Tag genannt, an dem man kommen wollte, welcher auch angenommen wurde. Am Morgen dieſes Tages wur¬ den die braunen Pferde, mit denen Mathilde gekom¬ men war, und die ſie die Zeit über in dem Meierhofe

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/434>, abgerufen am 22.11.2024.