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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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überzogen," sagte mein Gastfreund, "wahrscheinlich
um es freundlicher zu machen, welche Absicht man
sehr gerne zu Ende des vorigen Jahrhunderts an den
Tag legte. Wenn man die großen Steine, aus denen
die Hauptmauern errichtet sind, nicht bestrichen hätte,
so würde das natürliche Grau derselben mit dem Rost¬
braun des Daches und dem Grün der Bäume einen
sehr zusammenstimmenden Eindruck gemacht haben.
Jezt aber steht das Schloß da wie eine alte Frau, die
weiß gekleidet ist. Ich würde den Versuch machen,
wenn das Schloß mein Eigenthum wäre, ob man
nicht mit Wasser und Bürsten und zulezt auf trocke¬
nem Wege mit einem feinen Meißel die Tünche besei¬
tigen könnte. Alle Jahre eine mäßige Summe darauf
verwendet, würde jährlich die Aussicht, des widrigen
Anblickes erledigt zu werden, angenehm vermehren."

"Wir können ja den Versuch nahe an der Erde
machen, und aus der Arbeit einen ungefähren Kosten¬
anschlag verfertigen," sagte Mathilde; "denn ich ge¬
stehe gerne zu, daß mich auch der Anblick dieser Farbe
nicht erfreut, besonders, da die Außenseite der Mauern
ganz von Steinen ist, die mit feinen Fugen an einan¬
der stoßen, und man also bei Erbauung des Hauses
auf keine andere Farbe als die der Steine gerechnet

überzogen,“ ſagte mein Gaſtfreund, „wahrſcheinlich
um es freundlicher zu machen, welche Abſicht man
ſehr gerne zu Ende des vorigen Jahrhunderts an den
Tag legte. Wenn man die großen Steine, aus denen
die Hauptmauern errichtet ſind, nicht beſtrichen hätte,
ſo würde das natürliche Grau derſelben mit dem Roſt¬
braun des Daches und dem Grün der Bäume einen
ſehr zuſammenſtimmenden Eindruck gemacht haben.
Jezt aber ſteht das Schloß da wie eine alte Frau, die
weiß gekleidet iſt. Ich würde den Verſuch machen,
wenn das Schloß mein Eigenthum wäre, ob man
nicht mit Waſſer und Bürſten und zulezt auf trocke¬
nem Wege mit einem feinen Meißel die Tünche beſei¬
tigen könnte. Alle Jahre eine mäßige Summe darauf
verwendet, würde jährlich die Ausſicht, des widrigen
Anblickes erledigt zu werden, angenehm vermehren.“

„Wir können ja den Verſuch nahe an der Erde
machen, und aus der Arbeit einen ungefähren Koſten¬
anſchlag verfertigen,“ ſagte Mathilde; „denn ich ge¬
ſtehe gerne zu, daß mich auch der Anblick dieſer Farbe
nicht erfreut, beſonders, da die Außenſeite der Mauern
ganz von Steinen iſt, die mit feinen Fugen an einan¬
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[476/0490] überzogen,“ ſagte mein Gaſtfreund, „wahrſcheinlich um es freundlicher zu machen, welche Abſicht man ſehr gerne zu Ende des vorigen Jahrhunderts an den Tag legte. Wenn man die großen Steine, aus denen die Hauptmauern errichtet ſind, nicht beſtrichen hätte, ſo würde das natürliche Grau derſelben mit dem Roſt¬ braun des Daches und dem Grün der Bäume einen ſehr zuſammenſtimmenden Eindruck gemacht haben. Jezt aber ſteht das Schloß da wie eine alte Frau, die weiß gekleidet iſt. Ich würde den Verſuch machen, wenn das Schloß mein Eigenthum wäre, ob man nicht mit Waſſer und Bürſten und zulezt auf trocke¬ nem Wege mit einem feinen Meißel die Tünche beſei¬ tigen könnte. Alle Jahre eine mäßige Summe darauf verwendet, würde jährlich die Ausſicht, des widrigen Anblickes erledigt zu werden, angenehm vermehren.“ „Wir können ja den Verſuch nahe an der Erde machen, und aus der Arbeit einen ungefähren Koſten¬ anſchlag verfertigen,“ ſagte Mathilde; „denn ich ge¬ ſtehe gerne zu, daß mich auch der Anblick dieſer Farbe nicht erfreut, beſonders, da die Außenſeite der Mauern ganz von Steinen iſt, die mit feinen Fugen an einan¬ der ſtoßen, und man alſo bei Erbauung des Hauſes auf keine andere Farbe als die der Steine gerechnet

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/490>, abgerufen am 22.11.2024.