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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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werke, das sich vor der Wand des Hauses befand,
befestigt. Sie bestanden aus lauter Bäumchen. Es
waren winzige darunter, deren Blätter gleich über der
Erde begannen, dann höhere, deren Stämmchen über
die ersten empor ragten, und so fort, bis die lezten
mit ihren Zweigen in die Fenster des oberen Geschos¬
ses hinein sahen. Die Pflanzen waren so vertheilt,
und gehegt, daß nirgends eine Lücke entstand, und daß
die Wand des Hauses, soweit sie reichten, vollkommen
von ihnen bedeckt war.

Ich hatte eine Vorrichtung dieser Art in einem so
großen Maßstabe noch nie gesehen.

Es waren zudem fast alle Rosengattungen da,
die ich kannte, und einige, die ich noch nicht kannte.
Die Farben gingen von dem reinen Weiß der weißen
Rosen durch das gebliche und röthliche Weiß der
Übergangsrosen in das zarte Roth und in den Pur¬
pur und in das bläuliche und schwärzliche Roth der
rothen Rosen über. Die Gestalten und der Bau
wechselten in eben demselben Maße. Die Pflanzen
waren nicht etwa nach Farben eingetheilt, sondern
die Rücksicht der Anpflanzung schien nur die zu sein,
daß in der Rosenwand keine Unterbrechung statt fin¬

werke, das ſich vor der Wand des Hauſes befand,
befeſtigt. Sie beſtanden aus lauter Bäumchen. Es
waren winzige darunter, deren Blätter gleich über der
Erde begannen, dann höhere, deren Stämmchen über
die erſten empor ragten, und ſo fort, bis die lezten
mit ihren Zweigen in die Fenſter des oberen Geſchoſ¬
ſes hinein ſahen. Die Pflanzen waren ſo vertheilt,
und gehegt, daß nirgends eine Lücke entſtand, und daß
die Wand des Hauſes, ſoweit ſie reichten, vollkommen
von ihnen bedeckt war.

Ich hatte eine Vorrichtung dieſer Art in einem ſo
großen Maßſtabe noch nie geſehen.

Es waren zudem faſt alle Roſengattungen da,
die ich kannte, und einige, die ich noch nicht kannte.
Die Farben gingen von dem reinen Weiß der weißen
Roſen durch das gebliche und röthliche Weiß der
Übergangsroſen in das zarte Roth und in den Pur¬
pur und in das bläuliche und ſchwärzliche Roth der
rothen Roſen über. Die Geſtalten und der Bau
wechſelten in eben demſelben Maße. Die Pflanzen
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[63/0077] werke, das ſich vor der Wand des Hauſes befand, befeſtigt. Sie beſtanden aus lauter Bäumchen. Es waren winzige darunter, deren Blätter gleich über der Erde begannen, dann höhere, deren Stämmchen über die erſten empor ragten, und ſo fort, bis die lezten mit ihren Zweigen in die Fenſter des oberen Geſchoſ¬ ſes hinein ſahen. Die Pflanzen waren ſo vertheilt, und gehegt, daß nirgends eine Lücke entſtand, und daß die Wand des Hauſes, ſoweit ſie reichten, vollkommen von ihnen bedeckt war. Ich hatte eine Vorrichtung dieſer Art in einem ſo großen Maßſtabe noch nie geſehen. Es waren zudem faſt alle Roſengattungen da, die ich kannte, und einige, die ich noch nicht kannte. Die Farben gingen von dem reinen Weiß der weißen Roſen durch das gebliche und röthliche Weiß der Übergangsroſen in das zarte Roth und in den Pur¬ pur und in das bläuliche und ſchwärzliche Roth der rothen Roſen über. Die Geſtalten und der Bau wechſelten in eben demſelben Maße. Die Pflanzen waren nicht etwa nach Farben eingetheilt, ſondern die Rückſicht der Anpflanzung ſchien nur die zu ſein, daß in der Roſenwand keine Unterbrechung ſtatt fin¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/77>, abgerufen am 11.05.2024.