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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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ich an euch sehe, wird es auch euch gerne beherbergen,
und so lange verpflegen, als ihr es für nöthig erach¬
ten werdet. Darum bitte ich euch, tretet ein."

Mit diesen Worten that er einen Druck am Schlosse
des Thorflügels, der Flügel öffnete sich, drehte sich
mit einer Rolle auf einer halbkreisartigen Eisenschiene,
und gab mir Raum zum Eintreten.

Ich blieb nun einen Augenblick unentschlossen.

"Wenn das Gewitter nicht kömmt," sagte ich, "so
habe ich im Grunde keine Ursache, hier einzutreten;
denn ich bin nur des anziehenden Gewitters willen
von der Landstraße abgewichen, und zu diesem Hause
heraufgestiegen. Aber verzeiht mir, wenn ich noch
einmal die Frage anrege. Ich bin beinahe eine Art
Naturforscher, und habe mich mehrere Jahre mit Na¬
turdingen mit Beobachtungen und namentlich mit die¬
sem Gebirge beschäftigt, und meine Erfahrungen sagen
mir, daß heute über diese Gegend und dieses Haus
ein Gewitter kommen wird."

"Nun müßt ihr eigentlich vollends herein gehen,"
sagte er, "jezt handelt es sich darum, daß wir gemein¬
schaftlich abwarten, wer von uns beiden recht hat.
Ich bin zwar kein Naturforscher, und kann von mir
nicht sagen, daß ich mich mit Naturwissenschaften be¬

ich an euch ſehe, wird es auch euch gerne beherbergen,
und ſo lange verpflegen, als ihr es für nöthig erach¬
ten werdet. Darum bitte ich euch, tretet ein.“

Mit dieſen Worten that er einen Druck am Schloſſe
des Thorflügels, der Flügel öffnete ſich, drehte ſich
mit einer Rolle auf einer halbkreisartigen Eiſenſchiene,
und gab mir Raum zum Eintreten.

Ich blieb nun einen Augenblick unentſchloſſen.

„Wenn das Gewitter nicht kömmt,“ ſagte ich, „ſo
habe ich im Grunde keine Urſache, hier einzutreten;
denn ich bin nur des anziehenden Gewitters willen
von der Landſtraße abgewichen, und zu dieſem Hauſe
heraufgeſtiegen. Aber verzeiht mir, wenn ich noch
einmal die Frage anrege. Ich bin beinahe eine Art
Naturforſcher, und habe mich mehrere Jahre mit Na¬
turdingen mit Beobachtungen und namentlich mit die¬
ſem Gebirge beſchäftigt, und meine Erfahrungen ſagen
mir, daß heute über dieſe Gegend und dieſes Haus
ein Gewitter kommen wird.“

„Nun müßt ihr eigentlich vollends herein gehen,“
ſagte er, „jezt handelt es ſich darum, daß wir gemein¬
ſchaftlich abwarten, wer von uns beiden recht hat.
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[69/0083] ich an euch ſehe, wird es auch euch gerne beherbergen, und ſo lange verpflegen, als ihr es für nöthig erach¬ ten werdet. Darum bitte ich euch, tretet ein.“ Mit dieſen Worten that er einen Druck am Schloſſe des Thorflügels, der Flügel öffnete ſich, drehte ſich mit einer Rolle auf einer halbkreisartigen Eiſenſchiene, und gab mir Raum zum Eintreten. Ich blieb nun einen Augenblick unentſchloſſen. „Wenn das Gewitter nicht kömmt,“ ſagte ich, „ſo habe ich im Grunde keine Urſache, hier einzutreten; denn ich bin nur des anziehenden Gewitters willen von der Landſtraße abgewichen, und zu dieſem Hauſe heraufgeſtiegen. Aber verzeiht mir, wenn ich noch einmal die Frage anrege. Ich bin beinahe eine Art Naturforſcher, und habe mich mehrere Jahre mit Na¬ turdingen mit Beobachtungen und namentlich mit die¬ ſem Gebirge beſchäftigt, und meine Erfahrungen ſagen mir, daß heute über dieſe Gegend und dieſes Haus ein Gewitter kommen wird.“ „Nun müßt ihr eigentlich vollends herein gehen,“ ſagte er, „jezt handelt es ſich darum, daß wir gemein¬ ſchaftlich abwarten, wer von uns beiden recht hat. Ich bin zwar kein Naturforſcher, und kann von mir nicht ſagen, daß ich mich mit Naturwiſſenſchaften be¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/83>, abgerufen am 11.05.2024.