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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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unser Zimmer gingen, wenn er durch die Fenster auf
eine fremde Landschaft hinausschauen konnte, wenn
er sein Ränzlein und seine Reisesachen auf dem Tische
zurecht richten, und dann die ermüdeten Glieder auf
dem Gastbette ausstrecken durfte. Wir bestiegen hohe
Berge, wir gingen an Felswänden hin, wir begleite¬
ten den Lauf rauschender Bäche, und schifften über
Seen. Er wurde stark, und das zeigte sich sichtbar,
wenn wir von einer Gebirgswanderung -- denn fast
immer gingen wir in das Gebirge -- zurückkehrten,
wenn seine Wangen gebräunt waren, als wollten sie
beinahe schwarz werden, wenn seine Locken die dunkle
Stirne beschatteten, und die großen Augen lebhaft
aus dem Angesichte hervor leuchteten. Ich weiß nicht,
welcher innre Zug von Neigung mich zu dem Jüng¬
linge hinwendete, der in seinem Geiste zulezt doch
nur ein Knabe war, den ich über die einfachsten Dinge
täglicher Erfahrung belehren mußte, namentlich, wenn
es Wanderungsangelegenheiten waren, und der mir
in seiner Seele nichts biethen konnte, wodurch ich er¬
weitert und gehoben werden mußte, es müßte nur
das Bild der vollkommensten Güte und Reinheit ge¬
wesen sein, das ich täglich mehr an ihm sehen lieben
und verehren lernte.

unſer Zimmer gingen, wenn er durch die Fenſter auf
eine fremde Landſchaft hinausſchauen konnte, wenn
er ſein Ränzlein und ſeine Reiſeſachen auf dem Tiſche
zurecht richten, und dann die ermüdeten Glieder auf
dem Gaſtbette ausſtrecken durfte. Wir beſtiegen hohe
Berge, wir gingen an Felswänden hin, wir begleite¬
ten den Lauf rauſchender Bäche, und ſchifften über
Seen. Er wurde ſtark, und das zeigte ſich ſichtbar,
wenn wir von einer Gebirgswanderung — denn faſt
immer gingen wir in das Gebirge — zurückkehrten,
wenn ſeine Wangen gebräunt waren, als wollten ſie
beinahe ſchwarz werden, wenn ſeine Locken die dunkle
Stirne beſchatteten, und die großen Augen lebhaft
aus dem Angeſichte hervor leuchteten. Ich weiß nicht,
welcher innre Zug von Neigung mich zu dem Jüng¬
linge hinwendete, der in ſeinem Geiſte zulezt doch
nur ein Knabe war, den ich über die einfachſten Dinge
täglicher Erfahrung belehren mußte, namentlich, wenn
es Wanderungsangelegenheiten waren, und der mir
in ſeiner Seele nichts biethen konnte, wodurch ich er¬
weitert und gehoben werden mußte, es müßte nur
das Bild der vollkommenſten Güte und Reinheit ge¬
weſen ſein, das ich täglich mehr an ihm ſehen lieben
und verehren lernte.

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[101/0115] unſer Zimmer gingen, wenn er durch die Fenſter auf eine fremde Landſchaft hinausſchauen konnte, wenn er ſein Ränzlein und ſeine Reiſeſachen auf dem Tiſche zurecht richten, und dann die ermüdeten Glieder auf dem Gaſtbette ausſtrecken durfte. Wir beſtiegen hohe Berge, wir gingen an Felswänden hin, wir begleite¬ ten den Lauf rauſchender Bäche, und ſchifften über Seen. Er wurde ſtark, und das zeigte ſich ſichtbar, wenn wir von einer Gebirgswanderung — denn faſt immer gingen wir in das Gebirge — zurückkehrten, wenn ſeine Wangen gebräunt waren, als wollten ſie beinahe ſchwarz werden, wenn ſeine Locken die dunkle Stirne beſchatteten, und die großen Augen lebhaft aus dem Angeſichte hervor leuchteten. Ich weiß nicht, welcher innre Zug von Neigung mich zu dem Jüng¬ linge hinwendete, der in ſeinem Geiſte zulezt doch nur ein Knabe war, den ich über die einfachſten Dinge täglicher Erfahrung belehren mußte, namentlich, wenn es Wanderungsangelegenheiten waren, und der mir in ſeiner Seele nichts biethen konnte, wodurch ich er¬ weitert und gehoben werden mußte, es müßte nur das Bild der vollkommenſten Güte und Reinheit ge¬ weſen ſein, das ich täglich mehr an ihm ſehen lieben und verehren lernte.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/115>, abgerufen am 21.11.2024.