der Entstehung unseres Standbildes können wir auch jezt noch nichts Festes behaupten, auch nicht, ob es mit anderen aus dem Volke von Standbildern, das in Hellas stand, nach Rom gekommen ist, oder ob es unter den Römern von einem Griechen gefertigt wor¬ den ist, wie man es in jener Römerzeit, da griechische Kunst mit nicht hinlänglichem Verständnisse über Ita¬ lien ausgebreitet wurde, in den Siz eines Römers gebracht hat, und wie es auf ein ganz anderes ent¬ ferntes Geschlecht übergegangen ist."
Er schwieg nach diesen Worten, und ich sah den Mann an. Wir waren, während er sprach, in dem Saale auf und nieder gegangen. Ich begrif, warum er diesen Saal bei Abendgewittern aufsucht. Durch die hellen Fenster schaut der ganze südliche Himmel herein, und auch Theile des westlichen und des öst¬ lichen sind zu erblicken. Die ganze Kette der hiesigen Alpen kann am Rande des Gesichtskreises gesehen werden. Wenn nun ein Gewitter in jenem Raume entsteht -- und am schönsten sind Gewitterwände oder Gewitterberge, wenn sie sich über fernhinziehende Ge¬ birge lagern, oder längs des Kammes derselben dahin gehen -- so kann er dasselbe frei betrachten, und es breitet sich vor ihm aus. Zu dem Ernste der Wolken¬
der Entſtehung unſeres Standbildes können wir auch jezt noch nichts Feſtes behaupten, auch nicht, ob es mit anderen aus dem Volke von Standbildern, das in Hellas ſtand, nach Rom gekommen iſt, oder ob es unter den Römern von einem Griechen gefertigt wor¬ den iſt, wie man es in jener Römerzeit, da griechiſche Kunſt mit nicht hinlänglichem Verſtändniſſe über Ita¬ lien ausgebreitet wurde, in den Siz eines Römers gebracht hat, und wie es auf ein ganz anderes ent¬ ferntes Geſchlecht übergegangen iſt.“
Er ſchwieg nach dieſen Worten, und ich ſah den Mann an. Wir waren, während er ſprach, in dem Saale auf und nieder gegangen. Ich begrif, warum er dieſen Saal bei Abendgewittern aufſucht. Durch die hellen Fenſter ſchaut der ganze ſüdliche Himmel herein, und auch Theile des weſtlichen und des öſt¬ lichen ſind zu erblicken. Die ganze Kette der hieſigen Alpen kann am Rande des Geſichtskreiſes geſehen werden. Wenn nun ein Gewitter in jenem Raume entſteht — und am ſchönſten ſind Gewitterwände oder Gewitterberge, wenn ſie ſich über fernhinziehende Ge¬ birge lagern, oder längs des Kammes derſelben dahin gehen — ſo kann er dasſelbe frei betrachten, und es breitet ſich vor ihm aus. Zu dem Ernſte der Wolken¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0138"n="124"/>
der Entſtehung unſeres Standbildes können wir auch<lb/>
jezt noch nichts Feſtes behaupten, auch nicht, ob es<lb/>
mit anderen aus dem Volke von Standbildern, das<lb/>
in Hellas ſtand, nach Rom gekommen iſt, oder ob es<lb/>
unter den Römern von einem Griechen gefertigt wor¬<lb/>
den iſt, wie man es in jener Römerzeit, da griechiſche<lb/>
Kunſt mit nicht hinlänglichem Verſtändniſſe über Ita¬<lb/>
lien ausgebreitet wurde, in den Siz eines Römers<lb/>
gebracht hat, und wie es auf ein ganz anderes ent¬<lb/>
ferntes Geſchlecht übergegangen iſt.“</p><lb/><p>Er ſchwieg nach dieſen Worten, und ich ſah den<lb/>
Mann an. Wir waren, während er ſprach, in dem<lb/>
Saale auf und nieder gegangen. Ich begrif, warum<lb/>
er dieſen Saal bei Abendgewittern aufſucht. Durch<lb/>
die hellen Fenſter ſchaut der ganze ſüdliche Himmel<lb/>
herein, und auch Theile des weſtlichen und des öſt¬<lb/>
lichen ſind zu erblicken. Die ganze Kette der hieſigen<lb/>
Alpen kann am Rande des Geſichtskreiſes geſehen<lb/>
werden. Wenn nun ein Gewitter in jenem Raume<lb/>
entſteht — und am ſchönſten ſind Gewitterwände oder<lb/>
Gewitterberge, wenn ſie ſich über fernhinziehende Ge¬<lb/>
birge lagern, oder längs des Kammes derſelben dahin<lb/>
gehen —ſo kann er dasſelbe frei betrachten, und es<lb/>
breitet ſich vor ihm aus. Zu dem Ernſte der Wolken¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[124/0138]
der Entſtehung unſeres Standbildes können wir auch
jezt noch nichts Feſtes behaupten, auch nicht, ob es
mit anderen aus dem Volke von Standbildern, das
in Hellas ſtand, nach Rom gekommen iſt, oder ob es
unter den Römern von einem Griechen gefertigt wor¬
den iſt, wie man es in jener Römerzeit, da griechiſche
Kunſt mit nicht hinlänglichem Verſtändniſſe über Ita¬
lien ausgebreitet wurde, in den Siz eines Römers
gebracht hat, und wie es auf ein ganz anderes ent¬
ferntes Geſchlecht übergegangen iſt.“
Er ſchwieg nach dieſen Worten, und ich ſah den
Mann an. Wir waren, während er ſprach, in dem
Saale auf und nieder gegangen. Ich begrif, warum
er dieſen Saal bei Abendgewittern aufſucht. Durch
die hellen Fenſter ſchaut der ganze ſüdliche Himmel
herein, und auch Theile des weſtlichen und des öſt¬
lichen ſind zu erblicken. Die ganze Kette der hieſigen
Alpen kann am Rande des Geſichtskreiſes geſehen
werden. Wenn nun ein Gewitter in jenem Raume
entſteht — und am ſchönſten ſind Gewitterwände oder
Gewitterberge, wenn ſie ſich über fernhinziehende Ge¬
birge lagern, oder längs des Kammes derſelben dahin
gehen — ſo kann er dasſelbe frei betrachten, und es
breitet ſich vor ihm aus. Zu dem Ernſte der Wolken¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/138>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.