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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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Wände gesellt sich der Ernst der Wände von Marmor,
und daß in dem Saale gar keine Geräthe sind, ver¬
mehrt noch die Einsamkeit und Größe. Wenn nun
vollends schon eine schwache Abenddämmerung einge¬
treten ist, so zeigt die Oberfläche des Marmors den
Widerschein der Blize, und während wir so auf und
nieder gingen, war einige Male der reine kalte Mar¬
mor wie in eine Glut getaucht, und nur die hölzernen
Thüren standen dunkel in dem Feuer, oder zeigten
ihre düstere Fügung.

Ich fragte meinen Gastfreund, ob er das Mar¬
morstandbild schon lange besize.

"Die Zahl der Jahre ist nicht sehr groß," antwor¬
tete er, "ich kann sie euch aber nicht genau angeben,
weil ich sie nicht in meinem Gedächtnisse behalten
habe. Ich werde in meinen Büchern nachsehen, und
werde euch morgen sagen, wie lange das Bild in
meinem Hause steht."

"Ihr werdet wohl erlauben," sagte ich, "daß ich
die Gestalt öfter ansehen darf, und daß ich mir nach
und nach einpräge und immer klarer mache, warum
sie denn so schön ist, und welches die Merkmale sind,
die auf uns eine solche Wirkung machen."

"Ihr dürft sie besehen, so oft ihr wollt," antwor¬

Wände geſellt ſich der Ernſt der Wände von Marmor,
und daß in dem Saale gar keine Geräthe ſind, ver¬
mehrt noch die Einſamkeit und Größe. Wenn nun
vollends ſchon eine ſchwache Abenddämmerung einge¬
treten iſt, ſo zeigt die Oberfläche des Marmors den
Widerſchein der Blize, und während wir ſo auf und
nieder gingen, war einige Male der reine kalte Mar¬
mor wie in eine Glut getaucht, und nur die hölzernen
Thüren ſtanden dunkel in dem Feuer, oder zeigten
ihre düſtere Fügung.

Ich fragte meinen Gaſtfreund, ob er das Mar¬
morſtandbild ſchon lange beſize.

„Die Zahl der Jahre iſt nicht ſehr groß,“ antwor¬
tete er, „ich kann ſie euch aber nicht genau angeben,
weil ich ſie nicht in meinem Gedächtniſſe behalten
habe. Ich werde in meinen Büchern nachſehen, und
werde euch morgen ſagen, wie lange das Bild in
meinem Hauſe ſteht.“

„Ihr werdet wohl erlauben,“ ſagte ich, „daß ich
die Geſtalt öfter anſehen darf, und daß ich mir nach
und nach einpräge und immer klarer mache, warum
ſie denn ſo ſchön iſt, und welches die Merkmale ſind,
die auf uns eine ſolche Wirkung machen.“

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[125/0139] Wände geſellt ſich der Ernſt der Wände von Marmor, und daß in dem Saale gar keine Geräthe ſind, ver¬ mehrt noch die Einſamkeit und Größe. Wenn nun vollends ſchon eine ſchwache Abenddämmerung einge¬ treten iſt, ſo zeigt die Oberfläche des Marmors den Widerſchein der Blize, und während wir ſo auf und nieder gingen, war einige Male der reine kalte Mar¬ mor wie in eine Glut getaucht, und nur die hölzernen Thüren ſtanden dunkel in dem Feuer, oder zeigten ihre düſtere Fügung. Ich fragte meinen Gaſtfreund, ob er das Mar¬ morſtandbild ſchon lange beſize. „Die Zahl der Jahre iſt nicht ſehr groß,“ antwor¬ tete er, „ich kann ſie euch aber nicht genau angeben, weil ich ſie nicht in meinem Gedächtniſſe behalten habe. Ich werde in meinen Büchern nachſehen, und werde euch morgen ſagen, wie lange das Bild in meinem Hauſe ſteht.“ „Ihr werdet wohl erlauben,“ ſagte ich, „daß ich die Geſtalt öfter anſehen darf, und daß ich mir nach und nach einpräge und immer klarer mache, warum ſie denn ſo ſchön iſt, und welches die Merkmale ſind, die auf uns eine ſolche Wirkung machen.“ „Ihr dürft ſie beſehen, ſo oft ihr wollt,“ antwor¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/139>, abgerufen am 21.11.2024.