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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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Gemälde nicht zu merken, daß es nicht in allen Thei¬
len ein altes sei, es hatte die feinen Sprünge alter
Bilder und hatte alle die Reinheit und Klarheit des
Pinsels, der es ursprünglich geschaffen hatte. Wenn
man alte Bilder bei Ausbesserungen übermalt und
dadurch stimmt, so ist nicht selten ein Überzug über die
feinen Linien, welche die Zeit in alte Bilder sprengt,
und dieser Überzug zeigt nicht nur, daß das Bild aus¬
gebessert worden ist, sondern er stellt auch einen fei¬
nen Schleier dar, der über die Farben gebreitet ist,
und sie trüb und undurchsichtig macht. Solche Bilder
geben oft einen düstern unerfreulichen und schwer¬
lastenden Eindruck. Es werden viele unser Thun in
Herstellung alter Bilder unbedeutend und unerheblich
nennen, besonders da es so viele Zeit und so viele
Anstalten erforderte; uns aber machte es eine große
und eine innige Freude. Ihr werdet es gewiß nicht
tadeln, da ihr einen so großen Antheil an den Her¬
vorbringungen der Kunst zu nehmen beginnt. Wenn
nach und nach die Gestalt eines alten Meisters vor
uns aufstand, so war es nicht blos das Gefühl eines
Erschaffens, das uns beseelte, sondern das noch viel
höhere eines Wiederbelebens eines Dinges, das sonst
verloren gewesen wäre, und das wir selber nicht hät¬

Gemälde nicht zu merken, daß es nicht in allen Thei¬
len ein altes ſei, es hatte die feinen Sprünge alter
Bilder und hatte alle die Reinheit und Klarheit des
Pinſels, der es urſprünglich geſchaffen hatte. Wenn
man alte Bilder bei Ausbeſſerungen übermalt und
dadurch ſtimmt, ſo iſt nicht ſelten ein Überzug über die
feinen Linien, welche die Zeit in alte Bilder ſprengt,
und dieſer Überzug zeigt nicht nur, daß das Bild aus¬
gebeſſert worden iſt, ſondern er ſtellt auch einen fei¬
nen Schleier dar, der über die Farben gebreitet iſt,
und ſie trüb und undurchſichtig macht. Solche Bilder
geben oft einen düſtern unerfreulichen und ſchwer¬
laſtenden Eindruck. Es werden viele unſer Thun in
Herſtellung alter Bilder unbedeutend und unerheblich
nennen, beſonders da es ſo viele Zeit und ſo viele
Anſtalten erforderte; uns aber machte es eine große
und eine innige Freude. Ihr werdet es gewiß nicht
tadeln, da ihr einen ſo großen Antheil an den Her¬
vorbringungen der Kunſt zu nehmen beginnt. Wenn
nach und nach die Geſtalt eines alten Meiſters vor
uns aufſtand, ſo war es nicht blos das Gefühl eines
Erſchaffens, das uns beſeelte, ſondern das noch viel
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[158/0172] Gemälde nicht zu merken, daß es nicht in allen Thei¬ len ein altes ſei, es hatte die feinen Sprünge alter Bilder und hatte alle die Reinheit und Klarheit des Pinſels, der es urſprünglich geſchaffen hatte. Wenn man alte Bilder bei Ausbeſſerungen übermalt und dadurch ſtimmt, ſo iſt nicht ſelten ein Überzug über die feinen Linien, welche die Zeit in alte Bilder ſprengt, und dieſer Überzug zeigt nicht nur, daß das Bild aus¬ gebeſſert worden iſt, ſondern er ſtellt auch einen fei¬ nen Schleier dar, der über die Farben gebreitet iſt, und ſie trüb und undurchſichtig macht. Solche Bilder geben oft einen düſtern unerfreulichen und ſchwer¬ laſtenden Eindruck. Es werden viele unſer Thun in Herſtellung alter Bilder unbedeutend und unerheblich nennen, beſonders da es ſo viele Zeit und ſo viele Anſtalten erforderte; uns aber machte es eine große und eine innige Freude. Ihr werdet es gewiß nicht tadeln, da ihr einen ſo großen Antheil an den Her¬ vorbringungen der Kunſt zu nehmen beginnt. Wenn nach und nach die Geſtalt eines alten Meiſters vor uns aufſtand, ſo war es nicht blos das Gefühl eines Erſchaffens, das uns beſeelte, ſondern das noch viel höhere eines Wiederbelebens eines Dinges, das ſonſt verloren geweſen wäre, und das wir ſelber nicht hät¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/172>, abgerufen am 24.11.2024.