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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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Rafaelische Schule genannt. Für alles hatte man
Gründe, und der Schluß war, wie er es auch noch
heute ist, daß man nicht wußte, von wem das Bild
sei. Roland war außerordentlich vergnügt, daß er die
Sache in ihrer Entstellung schon geahnt, und durch
den Kauf eine so zweckmäßige Handlung ausgeführt
habe. Damals war er noch außerordentlich jung, er
war bei Weitem nicht so eingeübt wie jezt, und war
daher seiner Handlung nicht ganz sicher. Eustach sah
man es an, daß ihm, wie der Volksausdruck sagt,
das Herz vor Freude lache. Eine freundliche Bewir¬
thung meiner Gäste war damals das Ende des Ta¬
ges. Wir suchten in der folgenden Zeit eine Stelle,
an welcher das Bild am vortheilhaftesten aufgehängt
werden könnte. Roland erhielt eine Belohnung in
einem Werke, das er sich schon längst gewünscht hatte,
und Eustach, das sah ich wohl, fand seine schönste
Befriedigung darin, daß er näher in unsere Kunst¬
kreise gezogen wurde. Dem Manne, von welchem
das Bild in seinem verstümmelten Zustande gekauft
worden war, gab ich noch eine Summe, mit welcher
er weit über seine Erwartung abgefunden war; denn
das Bild hätte er doch nie herstellen lassen können, er
wäre auch auf den Gedanken nicht gekommen, und

Rafaeliſche Schule genannt. Für alles hatte man
Gründe, und der Schluß war, wie er es auch noch
heute iſt, daß man nicht wußte, von wem das Bild
ſei. Roland war außerordentlich vergnügt, daß er die
Sache in ihrer Entſtellung ſchon geahnt, und durch
den Kauf eine ſo zweckmäßige Handlung ausgeführt
habe. Damals war er noch außerordentlich jung, er
war bei Weitem nicht ſo eingeübt wie jezt, und war
daher ſeiner Handlung nicht ganz ſicher. Euſtach ſah
man es an, daß ihm, wie der Volksausdruck ſagt,
das Herz vor Freude lache. Eine freundliche Bewir¬
thung meiner Gäſte war damals das Ende des Ta¬
ges. Wir ſuchten in der folgenden Zeit eine Stelle,
an welcher das Bild am vortheilhafteſten aufgehängt
werden könnte. Roland erhielt eine Belohnung in
einem Werke, das er ſich ſchon längſt gewünſcht hatte,
und Euſtach, das ſah ich wohl, fand ſeine ſchönſte
Befriedigung darin, daß er näher in unſere Kunſt¬
kreiſe gezogen wurde. Dem Manne, von welchem
das Bild in ſeinem verſtümmelten Zuſtande gekauft
worden war, gab ich noch eine Summe, mit welcher
er weit über ſeine Erwartung abgefunden war; denn
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[164/0178] Rafaeliſche Schule genannt. Für alles hatte man Gründe, und der Schluß war, wie er es auch noch heute iſt, daß man nicht wußte, von wem das Bild ſei. Roland war außerordentlich vergnügt, daß er die Sache in ihrer Entſtellung ſchon geahnt, und durch den Kauf eine ſo zweckmäßige Handlung ausgeführt habe. Damals war er noch außerordentlich jung, er war bei Weitem nicht ſo eingeübt wie jezt, und war daher ſeiner Handlung nicht ganz ſicher. Euſtach ſah man es an, daß ihm, wie der Volksausdruck ſagt, das Herz vor Freude lache. Eine freundliche Bewir¬ thung meiner Gäſte war damals das Ende des Ta¬ ges. Wir ſuchten in der folgenden Zeit eine Stelle, an welcher das Bild am vortheilhafteſten aufgehängt werden könnte. Roland erhielt eine Belohnung in einem Werke, das er ſich ſchon längſt gewünſcht hatte, und Euſtach, das ſah ich wohl, fand ſeine ſchönſte Befriedigung darin, daß er näher in unſere Kunſt¬ kreiſe gezogen wurde. Dem Manne, von welchem das Bild in ſeinem verſtümmelten Zuſtande gekauft worden war, gab ich noch eine Summe, mit welcher er weit über ſeine Erwartung abgefunden war; denn das Bild hätte er doch nie herſtellen laſſen können, er wäre auch auf den Gedanken nicht gekommen, und

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/178>, abgerufen am 21.11.2024.