Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

der Lage, nach seinem Rathe noch Manches in unse¬
rem begonnenen Werke abzuändern; denn sonst wäre
es nicht so geworden, wie es geworden ist. Seze dich
zu uns, daß ich es dir erzähle."

Er saß mit der Mutter auf einer Bank, die aus
feinen Rohrstäben geflochten war, die Schwester und
ich nahmen ihnen gegenüber auf Sesseln Plaz.

"Dein Gastfreund," fing er an, "hat uns ausge¬
funden, und hat, als du zwei Wochen fort warest,
seine Bauzeichnungen und die Zeichnungen vieler an¬
derer Gegenstände hieher gesendet, daß ich sie ansehe.
Er hat mir auch den Antrag gemacht, daß ich manche,
die mir besonders gefielen, zu meinem Gebrauche
nachzeichnen lassen dürfe, nur möchte ich ihm die
Blätter vorher alle senden, und die bezeichnen, deren
Nachbildung ich wünschte, er würde sie mir dann ge¬
legentlich zu diesem Gebrauche zustellen. Ich lehnte
diese Erlaubniß ab, nur Einzelnes von Verzierungen
oder Stäben ließ ich flüchtig heraus zeichnen, in so
fern ich erkannte, daß es mir bei meinen nächsten An¬
ordnungen würde dienlich sein. Den größten Nuzen
aber schöpften wir -- mein Arbeiter und ich -- aus
der Anschauung des Ganzen überhaupt. Wir lernten
hier neue Dinge kennen, wir sahen, daß es Schöneres

der Lage, nach ſeinem Rathe noch Manches in unſe¬
rem begonnenen Werke abzuändern; denn ſonſt wäre
es nicht ſo geworden, wie es geworden iſt. Seze dich
zu uns, daß ich es dir erzähle.“

Er ſaß mit der Mutter auf einer Bank, die aus
feinen Rohrſtäben geflochten war, die Schweſter und
ich nahmen ihnen gegenüber auf Seſſeln Plaz.

„Dein Gaſtfreund,“ fing er an, „hat uns ausge¬
funden, und hat, als du zwei Wochen fort wareſt,
ſeine Bauzeichnungen und die Zeichnungen vieler an¬
derer Gegenſtände hieher geſendet, daß ich ſie anſehe.
Er hat mir auch den Antrag gemacht, daß ich manche,
die mir beſonders gefielen, zu meinem Gebrauche
nachzeichnen laſſen dürfe, nur möchte ich ihm die
Blätter vorher alle ſenden, und die bezeichnen, deren
Nachbildung ich wünſchte, er würde ſie mir dann ge¬
legentlich zu dieſem Gebrauche zuſtellen. Ich lehnte
dieſe Erlaubniß ab, nur Einzelnes von Verzierungen
oder Stäben ließ ich flüchtig heraus zeichnen, in ſo
fern ich erkannte, daß es mir bei meinen nächſten An¬
ordnungen würde dienlich ſein. Den größten Nuzen
aber ſchöpften wir — mein Arbeiter und ich — aus
der Anſchauung des Ganzen überhaupt. Wir lernten
hier neue Dinge kennen, wir ſahen, daß es Schöneres

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="194"/>
der Lage, nach &#x017F;einem Rathe noch Manches in un&#x017F;<lb/>
rem begonnenen Werke abzuändern; denn &#x017F;on&#x017F;t wäre<lb/>
es nicht &#x017F;o geworden, wie es geworden i&#x017F;t. Seze dich<lb/>
zu uns, daß ich es dir erzähle.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;aß mit der Mutter auf einer Bank, die aus<lb/>
feinen Rohr&#x017F;täben geflochten war, die Schwe&#x017F;ter und<lb/>
ich nahmen ihnen gegenüber auf Se&#x017F;&#x017F;eln Plaz.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dein Ga&#x017F;tfreund,&#x201C; fing er an, &#x201E;hat uns ausge¬<lb/>
funden, und hat, als du zwei Wochen fort ware&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;eine Bauzeichnungen und die Zeichnungen vieler an¬<lb/>
derer Gegen&#x017F;tände hieher ge&#x017F;endet, daß ich &#x017F;ie an&#x017F;ehe.<lb/>
Er hat mir auch den Antrag gemacht, daß ich manche,<lb/>
die mir be&#x017F;onders gefielen, zu meinem Gebrauche<lb/>
nachzeichnen la&#x017F;&#x017F;en dürfe, nur möchte ich ihm die<lb/>
Blätter vorher alle &#x017F;enden, und die bezeichnen, deren<lb/>
Nachbildung ich wün&#x017F;chte, er würde &#x017F;ie mir dann ge¬<lb/>
legentlich zu die&#x017F;em Gebrauche zu&#x017F;tellen. Ich lehnte<lb/>
die&#x017F;e Erlaubniß ab, nur Einzelnes von Verzierungen<lb/>
oder Stäben ließ ich flüchtig heraus zeichnen, in &#x017F;o<lb/>
fern ich erkannte, daß es mir bei meinen näch&#x017F;ten An¬<lb/>
ordnungen würde dienlich &#x017F;ein. Den größten Nuzen<lb/>
aber &#x017F;chöpften wir &#x2014; mein Arbeiter und ich &#x2014; aus<lb/>
der An&#x017F;chauung des Ganzen überhaupt. Wir lernten<lb/>
hier neue Dinge kennen, wir &#x017F;ahen, daß es Schöneres<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0208] der Lage, nach ſeinem Rathe noch Manches in unſe¬ rem begonnenen Werke abzuändern; denn ſonſt wäre es nicht ſo geworden, wie es geworden iſt. Seze dich zu uns, daß ich es dir erzähle.“ Er ſaß mit der Mutter auf einer Bank, die aus feinen Rohrſtäben geflochten war, die Schweſter und ich nahmen ihnen gegenüber auf Seſſeln Plaz. „Dein Gaſtfreund,“ fing er an, „hat uns ausge¬ funden, und hat, als du zwei Wochen fort wareſt, ſeine Bauzeichnungen und die Zeichnungen vieler an¬ derer Gegenſtände hieher geſendet, daß ich ſie anſehe. Er hat mir auch den Antrag gemacht, daß ich manche, die mir beſonders gefielen, zu meinem Gebrauche nachzeichnen laſſen dürfe, nur möchte ich ihm die Blätter vorher alle ſenden, und die bezeichnen, deren Nachbildung ich wünſchte, er würde ſie mir dann ge¬ legentlich zu dieſem Gebrauche zuſtellen. Ich lehnte dieſe Erlaubniß ab, nur Einzelnes von Verzierungen oder Stäben ließ ich flüchtig heraus zeichnen, in ſo fern ich erkannte, daß es mir bei meinen nächſten An¬ ordnungen würde dienlich ſein. Den größten Nuzen aber ſchöpften wir — mein Arbeiter und ich — aus der Anſchauung des Ganzen überhaupt. Wir lernten hier neue Dinge kennen, wir ſahen, daß es Schöneres

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/208
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/208>, abgerufen am 17.05.2024.