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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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Die Schwester hüpfte oder sprang beinahe in dem
Zimmer herum, und rief: "ich habe es mir gedacht,
daß er so handeln wird, ich habe es mir gedacht. O
der Freude, o der Freude! Wirst du bald abreisen?"

"Morgen mit dem frühesten Tagesanbruch," er¬
wiederte ich, "heute müssen noch Pferde bestellt wer¬
den."

"Es ist eine späte Jahreszeit und du bist kaum
gekommen, mein Sohn," sagte die Mutter; "aber ich
halte dich nicht ab. Der Tisch und noch mehr die
Gesinnung des Mannes, der ihn sendete, haben auf
deinen Vater wie ein Glück gewirkt. Das müssen
vortreffliche Menschen sein."

"Sie haben ihres Gleichen nicht auf Erden,"
rief ich.

Ohne zu säumen schickte ich den Knecht auf die
Post, um mir auf den nächsten Morgen um vier Uhr
zwei Pferde zu bestellen. Dann sprachen wir noch
von dem Tische. Der Vater breitete sich über seine
Eigenschaften aus, er erklärte uns dieses und jenes,
und sezte mir dann in einer längeren Beweisführung
auseinander, warum er gerade auf diesem Plaze
stehen müsse, auf dem er stehe. Ohne von den Ge¬
mälden des Vaters etwas zu sagen, auf welche ich

Die Schweſter hüpfte oder ſprang beinahe in dem
Zimmer herum, und rief: „ich habe es mir gedacht,
daß er ſo handeln wird, ich habe es mir gedacht. O
der Freude, o der Freude! Wirſt du bald abreiſen?“

„Morgen mit dem früheſten Tagesanbruch,“ er¬
wiederte ich, „heute müſſen noch Pferde beſtellt wer¬
den.“

„Es iſt eine ſpäte Jahreszeit und du biſt kaum
gekommen, mein Sohn,“ ſagte die Mutter; „aber ich
halte dich nicht ab. Der Tiſch und noch mehr die
Geſinnung des Mannes, der ihn ſendete, haben auf
deinen Vater wie ein Glück gewirkt. Das müſſen
vortreffliche Menſchen ſein.“

„Sie haben ihres Gleichen nicht auf Erden,“
rief ich.

Ohne zu ſäumen ſchickte ich den Knecht auf die
Poſt, um mir auf den nächſten Morgen um vier Uhr
zwei Pferde zu beſtellen. Dann ſprachen wir noch
von dem Tiſche. Der Vater breitete ſich über ſeine
Eigenſchaften aus, er erklärte uns dieſes und jenes,
und ſezte mir dann in einer längeren Beweisführung
auseinander, warum er gerade auf dieſem Plaze
ſtehen müſſe, auf dem er ſtehe. Ohne von den Ge¬
mälden des Vaters etwas zu ſagen, auf welche ich

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[198/0212] Die Schweſter hüpfte oder ſprang beinahe in dem Zimmer herum, und rief: „ich habe es mir gedacht, daß er ſo handeln wird, ich habe es mir gedacht. O der Freude, o der Freude! Wirſt du bald abreiſen?“ „Morgen mit dem früheſten Tagesanbruch,“ er¬ wiederte ich, „heute müſſen noch Pferde beſtellt wer¬ den.“ „Es iſt eine ſpäte Jahreszeit und du biſt kaum gekommen, mein Sohn,“ ſagte die Mutter; „aber ich halte dich nicht ab. Der Tiſch und noch mehr die Geſinnung des Mannes, der ihn ſendete, haben auf deinen Vater wie ein Glück gewirkt. Das müſſen vortreffliche Menſchen ſein.“ „Sie haben ihres Gleichen nicht auf Erden,“ rief ich. Ohne zu ſäumen ſchickte ich den Knecht auf die Poſt, um mir auf den nächſten Morgen um vier Uhr zwei Pferde zu beſtellen. Dann ſprachen wir noch von dem Tiſche. Der Vater breitete ſich über ſeine Eigenſchaften aus, er erklärte uns dieſes und jenes, und ſezte mir dann in einer längeren Beweisführung auseinander, warum er gerade auf dieſem Plaze ſtehen müſſe, auf dem er ſtehe. Ohne von den Ge¬ mälden des Vaters etwas zu ſagen, auf welche ich

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/212>, abgerufen am 20.05.2024.