Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

und bald waren ihre milden Strahlen zu spüren. Wir
empfanden sie, der Reif schmolz weg, und in Kurzem
zeigte sich uns die Gegend wieder wie gestern.

Wir besuchten eine Kirche, in welcher mein Gast¬
freund Ausbesserungen an alten Schnizereien machen
ließ. Es war aber gerade jezt nicht viel zu sehen.
Ein Theil der Gegenstände war in das Rosenhaus
abgegangen, ein anderer war abgebrochen, und lag
zum Einpacken bereit. Die Kirche war klein und sehr
alt. Sie war in den ersten Anfängen der gothischen
Kunst gebaut. Ihre Abbildung befand sich unter den
Bauzeichnungen Eustachs. Als wir alles besehen
hatten, fuhren wir wieder weiter.

Nachmittags gesellte sich Roland zu uns. Er
hatte uns in einem Gasthause erwartet, in welchem
unsere Pferde Futter bekamen.

Ich konnte, da wir uns eine Weile in dem Hause
aufhielten, und später bei einer andern Gelegenheit,
da wir eine Strecke zu Fuß gingen, wieder bemerken,
daß seine Blicke zuweilen auf Natalien hafteten.

Er hatte Zeichnungen in einem Buche, das er bei
sich trug, und er hatte Bemerkungen und Vorschläge
in sein Gedenkbuch geschrieben. Er theilte von beiden
Einiges mit, soweit es die Reise gestattete, und ver¬

und bald waren ihre milden Strahlen zu ſpüren. Wir
empfanden ſie, der Reif ſchmolz weg, und in Kurzem
zeigte ſich uns die Gegend wieder wie geſtern.

Wir beſuchten eine Kirche, in welcher mein Gaſt¬
freund Ausbeſſerungen an alten Schnizereien machen
ließ. Es war aber gerade jezt nicht viel zu ſehen.
Ein Theil der Gegenſtände war in das Roſenhaus
abgegangen, ein anderer war abgebrochen, und lag
zum Einpacken bereit. Die Kirche war klein und ſehr
alt. Sie war in den erſten Anfängen der gothiſchen
Kunſt gebaut. Ihre Abbildung befand ſich unter den
Bauzeichnungen Euſtachs. Als wir alles beſehen
hatten, fuhren wir wieder weiter.

Nachmittags geſellte ſich Roland zu uns. Er
hatte uns in einem Gaſthauſe erwartet, in welchem
unſere Pferde Futter bekamen.

Ich konnte, da wir uns eine Weile in dem Hauſe
aufhielten, und ſpäter bei einer andern Gelegenheit,
da wir eine Strecke zu Fuß gingen, wieder bemerken,
daß ſeine Blicke zuweilen auf Natalien hafteten.

Er hatte Zeichnungen in einem Buche, das er bei
ſich trug, und er hatte Bemerkungen und Vorſchläge
in ſein Gedenkbuch geſchrieben. Er theilte von beiden
Einiges mit, ſoweit es die Reiſe geſtattete, und ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0230" n="216"/>
und bald waren ihre milden Strahlen zu &#x017F;püren. Wir<lb/>
empfanden &#x017F;ie, der Reif &#x017F;chmolz weg, und in Kurzem<lb/>
zeigte &#x017F;ich uns die Gegend wieder wie ge&#x017F;tern.</p><lb/>
        <p>Wir be&#x017F;uchten eine Kirche, in welcher mein Ga&#x017F;<lb/>
freund Ausbe&#x017F;&#x017F;erungen an alten Schnizereien machen<lb/>
ließ. Es war aber gerade jezt nicht viel zu &#x017F;ehen.<lb/>
Ein Theil der Gegen&#x017F;tände war in das Ro&#x017F;enhaus<lb/>
abgegangen, ein anderer war abgebrochen, und lag<lb/>
zum Einpacken bereit. Die Kirche war klein und &#x017F;ehr<lb/>
alt. Sie war in den er&#x017F;ten Anfängen der gothi&#x017F;chen<lb/>
Kun&#x017F;t gebaut. Ihre Abbildung befand &#x017F;ich unter den<lb/>
Bauzeichnungen Eu&#x017F;tachs. Als wir alles be&#x017F;ehen<lb/>
hatten, fuhren wir wieder weiter.</p><lb/>
        <p>Nachmittags ge&#x017F;ellte &#x017F;ich Roland zu uns. Er<lb/>
hatte uns in einem Ga&#x017F;thau&#x017F;e erwartet, in welchem<lb/>
un&#x017F;ere Pferde Futter bekamen.</p><lb/>
        <p>Ich konnte, da wir uns eine Weile in dem Hau&#x017F;e<lb/>
aufhielten, und &#x017F;päter bei einer andern Gelegenheit,<lb/>
da wir eine Strecke zu Fuß gingen, wieder bemerken,<lb/>
daß &#x017F;eine Blicke zuweilen auf Natalien hafteten.</p><lb/>
        <p>Er hatte Zeichnungen in einem Buche, das er bei<lb/>
&#x017F;ich trug, und er hatte Bemerkungen und Vor&#x017F;chläge<lb/>
in &#x017F;ein Gedenkbuch ge&#x017F;chrieben. Er theilte von beiden<lb/>
Einiges mit, &#x017F;oweit es die Rei&#x017F;e ge&#x017F;tattete, und ver¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0230] und bald waren ihre milden Strahlen zu ſpüren. Wir empfanden ſie, der Reif ſchmolz weg, und in Kurzem zeigte ſich uns die Gegend wieder wie geſtern. Wir beſuchten eine Kirche, in welcher mein Gaſt¬ freund Ausbeſſerungen an alten Schnizereien machen ließ. Es war aber gerade jezt nicht viel zu ſehen. Ein Theil der Gegenſtände war in das Roſenhaus abgegangen, ein anderer war abgebrochen, und lag zum Einpacken bereit. Die Kirche war klein und ſehr alt. Sie war in den erſten Anfängen der gothiſchen Kunſt gebaut. Ihre Abbildung befand ſich unter den Bauzeichnungen Euſtachs. Als wir alles beſehen hatten, fuhren wir wieder weiter. Nachmittags geſellte ſich Roland zu uns. Er hatte uns in einem Gaſthauſe erwartet, in welchem unſere Pferde Futter bekamen. Ich konnte, da wir uns eine Weile in dem Hauſe aufhielten, und ſpäter bei einer andern Gelegenheit, da wir eine Strecke zu Fuß gingen, wieder bemerken, daß ſeine Blicke zuweilen auf Natalien hafteten. Er hatte Zeichnungen in einem Buche, das er bei ſich trug, und er hatte Bemerkungen und Vorſchläge in ſein Gedenkbuch geſchrieben. Er theilte von beiden Einiges mit, ſoweit es die Reiſe geſtattete, und ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/230
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/230>, abgerufen am 17.05.2024.