ertragen; aber sie hat alles Gott geopfert, und hat gesucht, mit sich in das Gleiche zu kommen, sie ist mit den Menschen gut gewesen, und jezt ist sie in tie¬ fem Glücke mit manchem unerfüllten Wunsche, und mit mancher kleinern und größern Sorge, die sie sin¬ nen macht. Als ich einen Mann sagen gehört hatte, daß die Fürstin, in deren Abendgesellschaften ich zu¬ weilen sein durfte, so schöne Töne in dem Angesichte habe, daß sie nur Rembrand zu malen im Stande wäre, wurde ich nicht blos auf die Fürstin noch mehr aufmerksam, die in ihrem hohen Alter noch so schön war, sondern ich betrachtete auch Mathilden wieder genauer, und lernte die Schönheit, wenn schon manche Jahre über sie gegangen sind, besser kennen. Ich fing nun an, Männer und Frauen, die in höherem Alter sind, zu betrachten, und sie um die Bedeutung ihrer Züge zu erforschen. Dabei fielen mir die Greisenköpfe auf den Steinen meines Vaters ein. Ich betrachtete die Steine öfter, da mir der Zugang zu denselben erlaubt war, und verglich die Köpfe, die sich auf ihnen befanden, mit denjenigen, die mir in dem jezt lebenden Geschlechte aufstießen. Beide Arten waren wirklich nicht mit einander vergleichbar, und es zeigten sich in ihnen die Verschiedenheiten mensch¬
ertragen; aber ſie hat alles Gott geopfert, und hat geſucht, mit ſich in das Gleiche zu kommen, ſie iſt mit den Menſchen gut geweſen, und jezt iſt ſie in tie¬ fem Glücke mit manchem unerfüllten Wunſche, und mit mancher kleinern und größern Sorge, die ſie ſin¬ nen macht. Als ich einen Mann ſagen gehört hatte, daß die Fürſtin, in deren Abendgeſellſchaften ich zu¬ weilen ſein durfte, ſo ſchöne Töne in dem Angeſichte habe, daß ſie nur Rembrand zu malen im Stande wäre, wurde ich nicht blos auf die Fürſtin noch mehr aufmerkſam, die in ihrem hohen Alter noch ſo ſchön war, ſondern ich betrachtete auch Mathilden wieder genauer, und lernte die Schönheit, wenn ſchon manche Jahre über ſie gegangen ſind, beſſer kennen. Ich fing nun an, Männer und Frauen, die in höherem Alter ſind, zu betrachten, und ſie um die Bedeutung ihrer Züge zu erforſchen. Dabei fielen mir die Greiſenköpfe auf den Steinen meines Vaters ein. Ich betrachtete die Steine öfter, da mir der Zugang zu denſelben erlaubt war, und verglich die Köpfe, die ſich auf ihnen befanden, mit denjenigen, die mir in dem jezt lebenden Geſchlechte aufſtießen. Beide Arten waren wirklich nicht mit einander vergleichbar, und es zeigten ſich in ihnen die Verſchiedenheiten menſch¬
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ertragen; aber ſie hat alles Gott geopfert, und hat
geſucht, mit ſich in das Gleiche zu kommen, ſie iſt
mit den Menſchen gut geweſen, und jezt iſt ſie in tie¬
fem Glücke mit manchem unerfüllten Wunſche, und
mit mancher kleinern und größern Sorge, die ſie ſin¬
nen macht. Als ich einen Mann ſagen gehört hatte,
daß die Fürſtin, in deren Abendgeſellſchaften ich zu¬
weilen ſein durfte, ſo ſchöne Töne in dem Angeſichte
habe, daß ſie nur Rembrand zu malen im Stande
wäre, wurde ich nicht blos auf die Fürſtin noch
mehr aufmerkſam, die in ihrem hohen Alter noch ſo
ſchön war, ſondern ich betrachtete auch Mathilden
wieder genauer, und lernte die Schönheit, wenn
ſchon manche Jahre über ſie gegangen ſind, beſſer
kennen. Ich fing nun an, Männer und Frauen, die
in höherem Alter ſind, zu betrachten, und ſie um die
Bedeutung ihrer Züge zu erforſchen. Dabei fielen mir
die Greiſenköpfe auf den Steinen meines Vaters ein.
Ich betrachtete die Steine öfter, da mir der Zugang
zu denſelben erlaubt war, und verglich die Köpfe, die
ſich auf ihnen befanden, mit denjenigen, die mir in
dem jezt lebenden Geſchlechte aufſtießen. Beide Arten
waren wirklich nicht mit einander vergleichbar, und
es zeigten ſich in ihnen die Verſchiedenheiten menſch¬
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/268>, abgerufen am 22.11.2024.
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