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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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so gelegentlich gelesen, wie sie mir in meinem Dahin¬
gehen aufstießen. Die Sonne thut mir nicht so weh,
liebe Mutter, wie du meinst, ich empfinde mich in ihr
sehr wohl und sehr frei, ich werde nicht müde, und
die Wärme des Körpers stärkt mich eher, als daß sie
mich drückt."

"Du hast auch den Hut an dem Arme getragen,"
sagte die Mutter.

"Ja das habe ich gethan," antwortete Natalie,
"aber du weißt, daß ich dichte Haare habe, auf die¬
selben legt sich die Sonnenwärme wohlthätig, wohl¬
thätiger, als wenn ich den Hut auf dem Haupte
trage, der so heiß macht, und die freie Luft geht ange¬
nehm, wenn man das Haupt entblößt hat, an der
Stirne und an den Haaren dahin."

Ich betrachtete Natalie, da sie so sprach. Ich er¬
kannte erst jezt, warum sie mir immer so merkwürdig
gewesen ist, ich erkannte es, seit ich die geschnittenen
Steine meines Vaters gesehen hatte. Mir erschien
es, Natalie sehe einem der Angesichter ähnlich, welche
ich auf den Steinen erblickt hatte, oder vielmehr in
ihren Zügen war das Nehmliche, was in den Zügen
auf den Angesichtern der geschnittenen Steine ist. Die
Stirne die Nase der Mund die Augen die Wangen

ſo gelegentlich geleſen, wie ſie mir in meinem Dahin¬
gehen aufſtießen. Die Sonne thut mir nicht ſo weh,
liebe Mutter, wie du meinſt, ich empfinde mich in ihr
ſehr wohl und ſehr frei, ich werde nicht müde, und
die Wärme des Körpers ſtärkt mich eher, als daß ſie
mich drückt.“

„Du haſt auch den Hut an dem Arme getragen,“
ſagte die Mutter.

„Ja das habe ich gethan,“ antwortete Natalie,
„aber du weißt, daß ich dichte Haare habe, auf die¬
ſelben legt ſich die Sonnenwärme wohlthätig, wohl¬
thätiger, als wenn ich den Hut auf dem Haupte
trage, der ſo heiß macht, und die freie Luft geht ange¬
nehm, wenn man das Haupt entblößt hat, an der
Stirne und an den Haaren dahin.“

Ich betrachtete Natalie, da ſie ſo ſprach. Ich er¬
kannte erſt jezt, warum ſie mir immer ſo merkwürdig
geweſen iſt, ich erkannte es, ſeit ich die geſchnittenen
Steine meines Vaters geſehen hatte. Mir erſchien
es, Natalie ſehe einem der Angeſichter ähnlich, welche
ich auf den Steinen erblickt hatte, oder vielmehr in
ihren Zügen war das Nehmliche, was in den Zügen
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[303/0317] ſo gelegentlich geleſen, wie ſie mir in meinem Dahin¬ gehen aufſtießen. Die Sonne thut mir nicht ſo weh, liebe Mutter, wie du meinſt, ich empfinde mich in ihr ſehr wohl und ſehr frei, ich werde nicht müde, und die Wärme des Körpers ſtärkt mich eher, als daß ſie mich drückt.“ „Du haſt auch den Hut an dem Arme getragen,“ ſagte die Mutter. „Ja das habe ich gethan,“ antwortete Natalie, „aber du weißt, daß ich dichte Haare habe, auf die¬ ſelben legt ſich die Sonnenwärme wohlthätig, wohl¬ thätiger, als wenn ich den Hut auf dem Haupte trage, der ſo heiß macht, und die freie Luft geht ange¬ nehm, wenn man das Haupt entblößt hat, an der Stirne und an den Haaren dahin.“ Ich betrachtete Natalie, da ſie ſo ſprach. Ich er¬ kannte erſt jezt, warum ſie mir immer ſo merkwürdig geweſen iſt, ich erkannte es, ſeit ich die geſchnittenen Steine meines Vaters geſehen hatte. Mir erſchien es, Natalie ſehe einem der Angeſichter ähnlich, welche ich auf den Steinen erblickt hatte, oder vielmehr in ihren Zügen war das Nehmliche, was in den Zügen auf den Angeſichtern der geſchnittenen Steine iſt. Die Stirne die Naſe der Mund die Augen die Wangen

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/317>, abgerufen am 22.11.2024.