dere Frauen und Mädchen so wie ältere und jüngere Männer saßen an verschiedenen Stellen umher. Auf dem unscheinbarsten Plaze saß Natalie. Mathilde so wie Natalie waren gekleidet, wie die Frauen und Mädchen von den besseren Ständen gekleidet zu sein pflegten; aber ich konnte doch nicht umhin, zu bemerken, daß ihre Kleider weit einfacher ge¬ macht und verziert waren als die der anderen Frauen, daß sie aber viel besser zusammen stimmten und ein edleres Gepräge trugen, als man dies sonst findet. Mir war, als sähe ich den Geist meines Gastfreun¬ des daraus hervorblicken, und wenn ich an höhere Kreise unserer Stadt, zu denen ich Zutritt hatte, dachte, so schien es mir auch, daß gerade dieser An¬ zug derjenige vornehme sei, nach welchem die andern strebten. Mathilde stand auf und verbeugte sich freund¬ lich gegen uns. Das thaten die andern auch, und wir thaten es gegen Mathilde und gegen die andern. Hierauf sezte man sich wieder, und der Hausverwal¬ ter und zwei Diener sorgten, daß wir Size bekamen. Ich sezte mich an eine Stelle, welche sehr wenig auf¬ fällig war. Die Sitte des gegenseitigen Vorstellens der Personen, wie sie fast überall vorkömmt, scheint in dem Rosenhause und in dem Sternenhofe nicht
dere Frauen und Mädchen ſo wie ältere und jüngere Männer ſaßen an verſchiedenen Stellen umher. Auf dem unſcheinbarſten Plaze ſaß Natalie. Mathilde ſo wie Natalie waren gekleidet, wie die Frauen und Mädchen von den beſſeren Ständen gekleidet zu ſein pflegten; aber ich konnte doch nicht umhin, zu bemerken, daß ihre Kleider weit einfacher ge¬ macht und verziert waren als die der anderen Frauen, daß ſie aber viel beſſer zuſammen ſtimmten und ein edleres Gepräge trugen, als man dies ſonſt findet. Mir war, als ſähe ich den Geiſt meines Gaſtfreun¬ des daraus hervorblicken, und wenn ich an höhere Kreiſe unſerer Stadt, zu denen ich Zutritt hatte, dachte, ſo ſchien es mir auch, daß gerade dieſer An¬ zug derjenige vornehme ſei, nach welchem die andern ſtrebten. Mathilde ſtand auf und verbeugte ſich freund¬ lich gegen uns. Das thaten die andern auch, und wir thaten es gegen Mathilde und gegen die andern. Hierauf ſezte man ſich wieder, und der Hausverwal¬ ter und zwei Diener ſorgten, daß wir Size bekamen. Ich ſezte mich an eine Stelle, welche ſehr wenig auf¬ fällig war. Die Sitte des gegenſeitigen Vorſtellens der Perſonen, wie ſie faſt überall vorkömmt, ſcheint in dem Roſenhauſe und in dem Sternenhofe nicht
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0340"n="326"/>
dere Frauen und Mädchen ſo wie ältere und jüngere<lb/>
Männer ſaßen an verſchiedenen Stellen umher. Auf<lb/>
dem unſcheinbarſten Plaze ſaß Natalie. Mathilde<lb/>ſo wie Natalie waren gekleidet, wie die Frauen<lb/>
und Mädchen von den beſſeren Ständen gekleidet<lb/>
zu ſein pflegten; aber ich konnte doch nicht umhin,<lb/>
zu bemerken, daß ihre Kleider weit einfacher ge¬<lb/>
macht und verziert waren als die der anderen Frauen,<lb/>
daß ſie aber viel beſſer zuſammen ſtimmten und ein<lb/>
edleres Gepräge trugen, als man dies ſonſt findet.<lb/>
Mir war, als ſähe ich den Geiſt meines Gaſtfreun¬<lb/>
des daraus hervorblicken, und wenn ich an höhere<lb/>
Kreiſe unſerer Stadt, zu denen ich Zutritt hatte,<lb/>
dachte, ſo ſchien es mir auch, daß gerade dieſer An¬<lb/>
zug derjenige vornehme ſei, nach welchem die andern<lb/>ſtrebten. Mathilde ſtand auf und verbeugte ſich freund¬<lb/>
lich gegen uns. Das thaten die andern auch, und<lb/>
wir thaten es gegen Mathilde und gegen die andern.<lb/>
Hierauf ſezte man ſich wieder, und der Hausverwal¬<lb/>
ter und zwei Diener ſorgten, daß wir Size bekamen.<lb/>
Ich ſezte mich an eine Stelle, welche ſehr wenig auf¬<lb/>
fällig war. Die Sitte des gegenſeitigen Vorſtellens<lb/>
der Perſonen, wie ſie faſt überall vorkömmt, ſcheint<lb/>
in dem Roſenhauſe und in dem Sternenhofe nicht<lb/></p></div></body></text></TEI>
[326/0340]
dere Frauen und Mädchen ſo wie ältere und jüngere
Männer ſaßen an verſchiedenen Stellen umher. Auf
dem unſcheinbarſten Plaze ſaß Natalie. Mathilde
ſo wie Natalie waren gekleidet, wie die Frauen
und Mädchen von den beſſeren Ständen gekleidet
zu ſein pflegten; aber ich konnte doch nicht umhin,
zu bemerken, daß ihre Kleider weit einfacher ge¬
macht und verziert waren als die der anderen Frauen,
daß ſie aber viel beſſer zuſammen ſtimmten und ein
edleres Gepräge trugen, als man dies ſonſt findet.
Mir war, als ſähe ich den Geiſt meines Gaſtfreun¬
des daraus hervorblicken, und wenn ich an höhere
Kreiſe unſerer Stadt, zu denen ich Zutritt hatte,
dachte, ſo ſchien es mir auch, daß gerade dieſer An¬
zug derjenige vornehme ſei, nach welchem die andern
ſtrebten. Mathilde ſtand auf und verbeugte ſich freund¬
lich gegen uns. Das thaten die andern auch, und
wir thaten es gegen Mathilde und gegen die andern.
Hierauf ſezte man ſich wieder, und der Hausverwal¬
ter und zwei Diener ſorgten, daß wir Size bekamen.
Ich ſezte mich an eine Stelle, welche ſehr wenig auf¬
fällig war. Die Sitte des gegenſeitigen Vorſtellens
der Perſonen, wie ſie faſt überall vorkömmt, ſcheint
in dem Roſenhauſe und in dem Sternenhofe nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/340>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.