Recht hätte, meine Handlungen selber zu bestimmen, so würde ich nie auch nicht ein Theilchen meines Lebens so einrichten, daß es meiner Mutter nicht gefiele; es wäre kein Glück für mich. Ich werde so handeln, so lange wir beisammen auf der Erde sind. Ihr thut wohl auch so?"
"Ich thue es; weil ich meine Eltern liebe, und weil mir eine Freude nur als solche gilt, wenn sie auch die ihre ist."
"Und noch jemand muß gefragt werden."
"Wer?"
"Unser edler Freund. Er ist so gut, so weise, so uneigennüzig. Er hat unserm Leben einen Halt ge¬ geben, als wir rathlos waren, er ist uns beigestan¬ den, als wir es bedurften, und jezt ist er der zweite Vater Gustavs geworden."
"Ja, Natalie, er soll und muß gefragt werden; aber sprecht, wenn eins von diesen nein sagt?"
"Wenn eines nein sagt, und wir es nicht über¬ zeugen können, so wird es Recht haben, und wir werden uns dann lieben, so lange wir leben, wir werden einander treu sein in dieser und jener Welt; aber wir dürften uns dann nicht mehr sehen."
"Wenn wir ihnen die Entscheidung über uns an¬
Recht hätte, meine Handlungen ſelber zu beſtimmen, ſo würde ich nie auch nicht ein Theilchen meines Lebens ſo einrichten, daß es meiner Mutter nicht gefiele; es wäre kein Glück für mich. Ich werde ſo handeln, ſo lange wir beiſammen auf der Erde ſind. Ihr thut wohl auch ſo?“
„Ich thue es; weil ich meine Eltern liebe, und weil mir eine Freude nur als ſolche gilt, wenn ſie auch die ihre iſt.“
„Und noch jemand muß gefragt werden.“
„Wer?“
„Unſer edler Freund. Er iſt ſo gut, ſo weiſe, ſo uneigennüzig. Er hat unſerm Leben einen Halt ge¬ geben, als wir rathlos waren, er iſt uns beigeſtan¬ den, als wir es bedurften, und jezt iſt er der zweite Vater Guſtavs geworden.“
„Ja, Natalie, er ſoll und muß gefragt werden; aber ſprecht, wenn eins von dieſen nein ſagt?“
„Wenn eines nein ſagt, und wir es nicht über¬ zeugen können, ſo wird es Recht haben, und wir werden uns dann lieben, ſo lange wir leben, wir werden einander treu ſein in dieſer und jener Welt; aber wir dürften uns dann nicht mehr ſehen.“
„Wenn wir ihnen die Entſcheidung über uns an¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0430"n="416"/>
Recht hätte, meine Handlungen ſelber zu beſtimmen,<lb/>ſo würde ich nie auch nicht ein Theilchen meines<lb/>
Lebens ſo einrichten, daß es meiner Mutter nicht<lb/>
gefiele; es wäre kein Glück für mich. Ich werde ſo<lb/>
handeln, ſo lange wir beiſammen auf der Erde ſind.<lb/>
Ihr thut wohl auch ſo?“</p><lb/><p>„Ich thue es; weil ich meine Eltern liebe, und<lb/>
weil mir eine Freude nur als ſolche gilt, wenn ſie<lb/>
auch die ihre iſt.“</p><lb/><p>„Und noch jemand muß gefragt werden.“</p><lb/><p>„Wer?“</p><lb/><p>„Unſer edler Freund. Er iſt ſo gut, ſo weiſe, ſo<lb/>
uneigennüzig. Er hat unſerm Leben einen Halt ge¬<lb/>
geben, als wir rathlos waren, er iſt uns beigeſtan¬<lb/>
den, als wir es bedurften, und jezt iſt er der zweite<lb/>
Vater Guſtavs geworden.“</p><lb/><p>„Ja, Natalie, er ſoll und muß gefragt werden;<lb/>
aber ſprecht, wenn eins von dieſen nein ſagt?“</p><lb/><p>„Wenn eines nein ſagt, und wir es nicht über¬<lb/>
zeugen können, ſo wird es Recht haben, und wir<lb/>
werden uns dann lieben, ſo lange wir leben, wir<lb/>
werden einander treu ſein in dieſer und jener Welt;<lb/>
aber wir dürften uns dann nicht mehr ſehen.“</p><lb/><p>„Wenn wir ihnen die Entſcheidung über uns an¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[416/0430]
Recht hätte, meine Handlungen ſelber zu beſtimmen,
ſo würde ich nie auch nicht ein Theilchen meines
Lebens ſo einrichten, daß es meiner Mutter nicht
gefiele; es wäre kein Glück für mich. Ich werde ſo
handeln, ſo lange wir beiſammen auf der Erde ſind.
Ihr thut wohl auch ſo?“
„Ich thue es; weil ich meine Eltern liebe, und
weil mir eine Freude nur als ſolche gilt, wenn ſie
auch die ihre iſt.“
„Und noch jemand muß gefragt werden.“
„Wer?“
„Unſer edler Freund. Er iſt ſo gut, ſo weiſe, ſo
uneigennüzig. Er hat unſerm Leben einen Halt ge¬
geben, als wir rathlos waren, er iſt uns beigeſtan¬
den, als wir es bedurften, und jezt iſt er der zweite
Vater Guſtavs geworden.“
„Ja, Natalie, er ſoll und muß gefragt werden;
aber ſprecht, wenn eins von dieſen nein ſagt?“
„Wenn eines nein ſagt, und wir es nicht über¬
zeugen können, ſo wird es Recht haben, und wir
werden uns dann lieben, ſo lange wir leben, wir
werden einander treu ſein in dieſer und jener Welt;
aber wir dürften uns dann nicht mehr ſehen.“
„Wenn wir ihnen die Entſcheidung über uns an¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/430>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.