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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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auch mehrere Stücke der schönen getäfelten Fußböden,
die in diesem Hause anzutreffen waren. Ich that dies,
um dem Vater von allen Dingen, welche ich gesehen
hatte, einiger Maßen Abbildungen bringen zu können.

Als es schon bald zu meiner Abreise kam, sagte
mein Gastfreund, er hätte noch etwas mit mir zu
reden, und er sprach: "Weil euch euere Natur selber
zum Theile aus dem Kreise herausgezogen hat, den
ihr um euch gesteckt habt, weil ihr zu euren früheren
Bestrebungen noch den Einblick in die Dichtungen
gesellt habt, so wie ja schon das Landschaftsmalen
als ein Übergang in das Kunstfach ein Schritt aus
eurem Kreise war, so erlaubet mir, daß ich als
Freund, der euch wohl will, ein Wort zu euch rede.
Ihr solltet zu eurem Wesen eine breitere Grundlage
legen. Wenn die Kräfte des allgemeinen Lebens zu¬
gleich in allen oder vielen Richtungen thätig sind, so
wird der Mensch, eben weil alle Kräfte wirksam sind,
weit eher befriedigt und erfüllt, als wenn eine Kraft
nach einer einzigen Richtung hinzielt. Das Wesen
wird dann im Ganzen leichter gerundet und gefestet.
Das Streben in einer Richtung legt dem Geiste eine
Binde an, verhindert ihn, das Nebenliegende zu
sehen, und führt ihn in das Abenteuerliche. Später,

auch mehrere Stücke der ſchönen getäfelten Fußböden,
die in dieſem Hauſe anzutreffen waren. Ich that dies,
um dem Vater von allen Dingen, welche ich geſehen
hatte, einiger Maßen Abbildungen bringen zu können.

Als es ſchon bald zu meiner Abreiſe kam, ſagte
mein Gaſtfreund, er hätte noch etwas mit mir zu
reden, und er ſprach: „Weil euch euere Natur ſelber
zum Theile aus dem Kreiſe herausgezogen hat, den
ihr um euch geſteckt habt, weil ihr zu euren früheren
Beſtrebungen noch den Einblick in die Dichtungen
geſellt habt, ſo wie ja ſchon das Landſchaftsmalen
als ein Übergang in das Kunſtfach ein Schritt aus
eurem Kreiſe war, ſo erlaubet mir, daß ich als
Freund, der euch wohl will, ein Wort zu euch rede.
Ihr ſolltet zu eurem Weſen eine breitere Grundlage
legen. Wenn die Kräfte des allgemeinen Lebens zu¬
gleich in allen oder vielen Richtungen thätig ſind, ſo
wird der Menſch, eben weil alle Kräfte wirkſam ſind,
weit eher befriedigt und erfüllt, als wenn eine Kraft
nach einer einzigen Richtung hinzielt. Das Weſen
wird dann im Ganzen leichter gerundet und gefeſtet.
Das Streben in einer Richtung legt dem Geiſte eine
Binde an, verhindert ihn, das Nebenliegende zu
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[57/0071] auch mehrere Stücke der ſchönen getäfelten Fußböden, die in dieſem Hauſe anzutreffen waren. Ich that dies, um dem Vater von allen Dingen, welche ich geſehen hatte, einiger Maßen Abbildungen bringen zu können. Als es ſchon bald zu meiner Abreiſe kam, ſagte mein Gaſtfreund, er hätte noch etwas mit mir zu reden, und er ſprach: „Weil euch euere Natur ſelber zum Theile aus dem Kreiſe herausgezogen hat, den ihr um euch geſteckt habt, weil ihr zu euren früheren Beſtrebungen noch den Einblick in die Dichtungen geſellt habt, ſo wie ja ſchon das Landſchaftsmalen als ein Übergang in das Kunſtfach ein Schritt aus eurem Kreiſe war, ſo erlaubet mir, daß ich als Freund, der euch wohl will, ein Wort zu euch rede. Ihr ſolltet zu eurem Weſen eine breitere Grundlage legen. Wenn die Kräfte des allgemeinen Lebens zu¬ gleich in allen oder vielen Richtungen thätig ſind, ſo wird der Menſch, eben weil alle Kräfte wirkſam ſind, weit eher befriedigt und erfüllt, als wenn eine Kraft nach einer einzigen Richtung hinzielt. Das Weſen wird dann im Ganzen leichter gerundet und gefeſtet. Das Streben in einer Richtung legt dem Geiſte eine Binde an, verhindert ihn, das Nebenliegende zu ſehen, und führt ihn in das Abenteuerliche. Später,

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/71>, abgerufen am 17.05.2024.