in Wissenschaften, die ihr zugänglich waren, geschrie¬ ben haben, und sie hatte alles Schöne genossen, was die Künste hervorbringen. Einstens war sie in den höheren Kreisen eine der außerordentlichsten Schön¬ heiten gewesen, und noch jezt konnte man sich kaum etwas Lieblicheres denken als die freundlichen klugen und innigen Züge dieses Angesichtes. Ein Mann, der sich viel mit Gemälden und ihrer Beur¬ theilung abgab, und oft in die Nähe der Fürstin kam, sagte einmal, daß nur Rembrand im Stande gewesen wäre, die feinen Töne und die kunstgemäßen Über¬ gänge ihres Angesichtes zu malen. Sie hatte jezt eine Wohnung an der Ostgrenze der innern Stadt, damit die Morgensonne ihre Zimmer füllte, und da¬ mit sie den freien Blick über das frische Grün und auf die entfernten Vorstädte hätte. Blühende Söhne in hohen kriegerischen Würden besuchten die alte ehrwür¬ dige Mutter hier, so oft ihr Dienst ihre Anwesenheit in der Stadt gestattete, und so oft während dieser Anwesenheit ein Augenblick es erlaubte. Schöne Enkel und Enkelinnen gingen bei ihr aus und ein, und eine zahlreiche Verwandtschaft wurde bald in die¬ sen bald in jenen Mitgliedern in ihren Zimmern ge¬ sehen. Aber geistige Erholung oder Anstrengung --
in Wiſſenſchaften, die ihr zugänglich waren, geſchrie¬ ben haben, und ſie hatte alles Schöne genoſſen, was die Künſte hervorbringen. Einſtens war ſie in den höheren Kreiſen eine der außerordentlichſten Schön¬ heiten geweſen, und noch jezt konnte man ſich kaum etwas Lieblicheres denken als die freundlichen klugen und innigen Züge dieſes Angeſichtes. Ein Mann, der ſich viel mit Gemälden und ihrer Beur¬ theilung abgab, und oft in die Nähe der Fürſtin kam, ſagte einmal, daß nur Rembrand im Stande geweſen wäre, die feinen Töne und die kunſtgemäßen Über¬ gänge ihres Angeſichtes zu malen. Sie hatte jezt eine Wohnung an der Oſtgrenze der innern Stadt, damit die Morgenſonne ihre Zimmer füllte, und da¬ mit ſie den freien Blick über das friſche Grün und auf die entfernten Vorſtädte hätte. Blühende Söhne in hohen kriegeriſchen Würden beſuchten die alte ehrwür¬ dige Mutter hier, ſo oft ihr Dienſt ihre Anweſenheit in der Stadt geſtattete, und ſo oft während dieſer Anweſenheit ein Augenblick es erlaubte. Schöne Enkel und Enkelinnen gingen bei ihr aus und ein, und eine zahlreiche Verwandtſchaft wurde bald in die¬ ſen bald in jenen Mitgliedern in ihren Zimmern ge¬ ſehen. Aber geiſtige Erholung oder Anſtrengung —
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0090"n="76"/>
in Wiſſenſchaften, die ihr zugänglich waren, geſchrie¬<lb/>
ben haben, und ſie hatte alles Schöne genoſſen, was<lb/>
die Künſte hervorbringen. Einſtens war ſie in den<lb/>
höheren Kreiſen eine der außerordentlichſten Schön¬<lb/>
heiten geweſen, und noch jezt konnte man ſich<lb/>
kaum etwas Lieblicheres denken als die freundlichen<lb/>
klugen und innigen Züge dieſes Angeſichtes. Ein<lb/>
Mann, der ſich viel mit Gemälden und ihrer Beur¬<lb/>
theilung abgab, und oft in die Nähe der Fürſtin kam,<lb/>ſagte einmal, daß nur Rembrand im Stande geweſen<lb/>
wäre, die feinen Töne und die kunſtgemäßen Über¬<lb/>
gänge ihres Angeſichtes zu malen. Sie hatte jezt<lb/>
eine Wohnung an der Oſtgrenze der innern Stadt,<lb/>
damit die Morgenſonne ihre Zimmer füllte, und da¬<lb/>
mit ſie den freien Blick über das friſche Grün und auf<lb/>
die entfernten Vorſtädte hätte. Blühende Söhne in<lb/>
hohen kriegeriſchen Würden beſuchten die alte ehrwür¬<lb/>
dige Mutter hier, ſo oft ihr Dienſt ihre Anweſenheit<lb/>
in der Stadt geſtattete, und ſo oft während dieſer<lb/>
Anweſenheit ein Augenblick es erlaubte. Schöne<lb/>
Enkel und Enkelinnen gingen bei ihr aus und ein,<lb/>
und eine zahlreiche Verwandtſchaft wurde bald in die¬<lb/>ſen bald in jenen Mitgliedern in ihren Zimmern ge¬<lb/>ſehen. Aber geiſtige Erholung oder Anſtrengung —<lb/></p></div></body></text></TEI>
[76/0090]
in Wiſſenſchaften, die ihr zugänglich waren, geſchrie¬
ben haben, und ſie hatte alles Schöne genoſſen, was
die Künſte hervorbringen. Einſtens war ſie in den
höheren Kreiſen eine der außerordentlichſten Schön¬
heiten geweſen, und noch jezt konnte man ſich
kaum etwas Lieblicheres denken als die freundlichen
klugen und innigen Züge dieſes Angeſichtes. Ein
Mann, der ſich viel mit Gemälden und ihrer Beur¬
theilung abgab, und oft in die Nähe der Fürſtin kam,
ſagte einmal, daß nur Rembrand im Stande geweſen
wäre, die feinen Töne und die kunſtgemäßen Über¬
gänge ihres Angeſichtes zu malen. Sie hatte jezt
eine Wohnung an der Oſtgrenze der innern Stadt,
damit die Morgenſonne ihre Zimmer füllte, und da¬
mit ſie den freien Blick über das friſche Grün und auf
die entfernten Vorſtädte hätte. Blühende Söhne in
hohen kriegeriſchen Würden beſuchten die alte ehrwür¬
dige Mutter hier, ſo oft ihr Dienſt ihre Anweſenheit
in der Stadt geſtattete, und ſo oft während dieſer
Anweſenheit ein Augenblick es erlaubte. Schöne
Enkel und Enkelinnen gingen bei ihr aus und ein,
und eine zahlreiche Verwandtſchaft wurde bald in die¬
ſen bald in jenen Mitgliedern in ihren Zimmern ge¬
ſehen. Aber geiſtige Erholung oder Anſtrengung —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/90>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.