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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857.

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ergözten. Diesen Ort besuchte ich gerne. Da war
der eine oder der andere Schauspieler von der Hof¬
bühne oder von der Oper, da war ein Maler, dessen
Namen damals hoch gepriesen wurde, da waren Ton¬
künstler, so wohl ausübende als dichtende, da waren
Bildhauer und Baumeister, vorzüglich aber waren
es Schriftsteller und Dichter, und es befanden sich
darunter auch Vorstände und Mitarbeiter an Zei¬
tungsanstalten. Von anderen Personen waren hö¬
here Staatsdiener Bürger Kaufleute und überhaupt
solche vorhanden, die einen Antheil an Kunst und
Wissenschaft und an einem dahin abzielenden Umgange
nahmen. Wenn auch eigentlich nur eine ungezwun¬
gene Heiterkeit herrschte, wenn auch nur Spiele zu
körperlicher Bewegung und daneben das Schachspiel
vorzuherrschen schienen, so waren doch auch Gespräche,
und wie es bei solchen Männern zu erwarten war,
Gespräche sehr lebhafter Natur im Gange, und waren
doch im Grunde die Hauptsache. Da konnte man in
leichten Worten den tiefen Geist des Einen sehen, oder
den ruhigen, der alles zersezt, und in seine Bestandtheile
auflöst, oder den lebhaften, der darüber weggeht, oder
den leichtfertigen, der alles verlacht, oder den, dessen
Sitten selbst ein wenig bedenklich waren. Oft war

ergözten. Dieſen Ort beſuchte ich gerne. Da war
der eine oder der andere Schauſpieler von der Hof¬
bühne oder von der Oper, da war ein Maler, deſſen
Namen damals hoch geprieſen wurde, da waren Ton¬
künſtler, ſo wohl ausübende als dichtende, da waren
Bildhauer und Baumeiſter, vorzüglich aber waren
es Schriftſteller und Dichter, und es befanden ſich
darunter auch Vorſtände und Mitarbeiter an Zei¬
tungsanſtalten. Von anderen Perſonen waren hö¬
here Staatsdiener Bürger Kaufleute und überhaupt
ſolche vorhanden, die einen Antheil an Kunſt und
Wiſſenſchaft und an einem dahin abzielenden Umgange
nahmen. Wenn auch eigentlich nur eine ungezwun¬
gene Heiterkeit herrſchte, wenn auch nur Spiele zu
körperlicher Bewegung und daneben das Schachſpiel
vorzuherrſchen ſchienen, ſo waren doch auch Geſpräche,
und wie es bei ſolchen Männern zu erwarten war,
Geſpräche ſehr lebhafter Natur im Gange, und waren
doch im Grunde die Hauptſache. Da konnte man in
leichten Worten den tiefen Geiſt des Einen ſehen, oder
den ruhigen, der alles zerſezt, und in ſeine Beſtandtheile
auflöſt, oder den lebhaften, der darüber weggeht, oder
den leichtfertigen, der alles verlacht, oder den, deſſen
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[82/0096] ergözten. Dieſen Ort beſuchte ich gerne. Da war der eine oder der andere Schauſpieler von der Hof¬ bühne oder von der Oper, da war ein Maler, deſſen Namen damals hoch geprieſen wurde, da waren Ton¬ künſtler, ſo wohl ausübende als dichtende, da waren Bildhauer und Baumeiſter, vorzüglich aber waren es Schriftſteller und Dichter, und es befanden ſich darunter auch Vorſtände und Mitarbeiter an Zei¬ tungsanſtalten. Von anderen Perſonen waren hö¬ here Staatsdiener Bürger Kaufleute und überhaupt ſolche vorhanden, die einen Antheil an Kunſt und Wiſſenſchaft und an einem dahin abzielenden Umgange nahmen. Wenn auch eigentlich nur eine ungezwun¬ gene Heiterkeit herrſchte, wenn auch nur Spiele zu körperlicher Bewegung und daneben das Schachſpiel vorzuherrſchen ſchienen, ſo waren doch auch Geſpräche, und wie es bei ſolchen Männern zu erwarten war, Geſpräche ſehr lebhafter Natur im Gange, und waren doch im Grunde die Hauptſache. Da konnte man in leichten Worten den tiefen Geiſt des Einen ſehen, oder den ruhigen, der alles zerſezt, und in ſeine Beſtandtheile auflöſt, oder den lebhaften, der darüber weggeht, oder den leichtfertigen, der alles verlacht, oder den, deſſen Sitten ſelbſt ein wenig bedenklich waren. Oft war

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/96>, abgerufen am 24.11.2024.