es nur ein Wort ein Wiz, der den Grund geben konnte, um Schlüsse zu bauen. Troz meiner Schüch¬ ternheit, die mich ferne hielt, gerieth ich doch in Ge¬ spräche, und lernte den einen und andern Mann von denen kennen, die sich hier einfanden. Selbst das äußere Benehmen und Gebahren von Männern, die sonst solche Geltung haben, schien mir nicht gleich¬ giltig.
Ich besuchte in jenem Winter auch gerne Orte, an welchen sich viele Menschen zu ihren Vergnügun¬ gen versammeln, um die Art ihrer Erscheinung ihr Wesen und ihr Verhalten als eines Ganzen sehen zu können. Vorzüglich ging ich dahin, wo das eigent¬ liche Volk, wie man es jezt häufig zum Gegensaze der sogenannten Gebildeten nennt, zusammen kömmt. Die man gebildet nennt, sind fast überall gleich; das Volk aber ist ursprünglich, wie ich es bei meinen Wan¬ derungen schon kennen lernte, und hat seine zugearte¬ ten Bräuche und Sitten.
Ich ging in die guten Darstellungen von Musik¬ stücken, ich fuhr im Besuche des Hoftheaters fort, ging jezt auch in die Oper, und besuchte manche öffentliche wissenschaftliche Vorträge dann Kunst- und Büchersammlungen hauptsächlich aber zur Vervoll¬
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es nur ein Wort ein Wiz, der den Grund geben konnte, um Schlüſſe zu bauen. Troz meiner Schüch¬ ternheit, die mich ferne hielt, gerieth ich doch in Ge¬ ſpräche, und lernte den einen und andern Mann von denen kennen, die ſich hier einfanden. Selbſt das äußere Benehmen und Gebahren von Männern, die ſonſt ſolche Geltung haben, ſchien mir nicht gleich¬ giltig.
Ich beſuchte in jenem Winter auch gerne Orte, an welchen ſich viele Menſchen zu ihren Vergnügun¬ gen verſammeln, um die Art ihrer Erſcheinung ihr Weſen und ihr Verhalten als eines Ganzen ſehen zu können. Vorzüglich ging ich dahin, wo das eigent¬ liche Volk, wie man es jezt häufig zum Gegenſaze der ſogenannten Gebildeten nennt, zuſammen kömmt. Die man gebildet nennt, ſind faſt überall gleich; das Volk aber iſt urſprünglich, wie ich es bei meinen Wan¬ derungen ſchon kennen lernte, und hat ſeine zugearte¬ ten Bräuche und Sitten.
Ich ging in die guten Darſtellungen von Muſik¬ ſtücken, ich fuhr im Beſuche des Hoftheaters fort, ging jezt auch in die Oper, und beſuchte manche öffentliche wiſſenſchaftliche Vorträge dann Kunſt- und Bücherſammlungen hauptſächlich aber zur Vervoll¬
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es nur ein Wort ein Wiz, der den Grund geben
konnte, um Schlüſſe zu bauen. Troz meiner Schüch¬
ternheit, die mich ferne hielt, gerieth ich doch in Ge¬
ſpräche, und lernte den einen und andern Mann von
denen kennen, die ſich hier einfanden. Selbſt das
äußere Benehmen und Gebahren von Männern, die
ſonſt ſolche Geltung haben, ſchien mir nicht gleich¬
giltig.
Ich beſuchte in jenem Winter auch gerne Orte,
an welchen ſich viele Menſchen zu ihren Vergnügun¬
gen verſammeln, um die Art ihrer Erſcheinung ihr
Weſen und ihr Verhalten als eines Ganzen ſehen zu
können. Vorzüglich ging ich dahin, wo das eigent¬
liche Volk, wie man es jezt häufig zum Gegenſaze der
ſogenannten Gebildeten nennt, zuſammen kömmt.
Die man gebildet nennt, ſind faſt überall gleich; das
Volk aber iſt urſprünglich, wie ich es bei meinen Wan¬
derungen ſchon kennen lernte, und hat ſeine zugearte¬
ten Bräuche und Sitten.
Ich ging in die guten Darſtellungen von Muſik¬
ſtücken, ich fuhr im Beſuche des Hoftheaters fort,
ging jezt auch in die Oper, und beſuchte manche
öffentliche wiſſenſchaftliche Vorträge dann Kunſt- und
Bücherſammlungen hauptſächlich aber zur Vervoll¬
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 2. Pesth, 1857, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer02_1857/97>, abgerufen am 16.02.2025.
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