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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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mir völlig unbekannt, weil mich meine Wanderungen
nie hieher getragen hatten.

Am Saume des Waldes, der den Norden unseres
Landes begrenzt, ging ein Thal hin, das einst Wald
gewesen war, und das jezt zerstreute Häuser, einzelne
Felder, Wiesen, Felsen, Schluchten und rinnende
Wasser in seinem Bereiche hegte. Eines der Häuser,
halb aus Holz gezimmert und halb gemauert, war
das Geburthaus meines Vaters. Es stand am Rande
eines Wäldchens, das von dem großen Walde her¬
stammte, der einst diese ganzen Gegenden bedeckt hatte.
Es war gegen West durch eine Gruppe sehr großer
und dicht stehender Buchen gedeckt, daß ihm die Winde
von dorther wenig anhaben konnten, hatte gegen Ost
den Schuz eines Felsens, im Norden den des gro¬
ßen Waldbandes, und schaute gegen Süden auf
seine nicht unbeträchtlichen Wiesen und Felder, deren
Ergiebigkeit in Getreide gering in Futterkräutern
außerordentlich war, weßhalb der größere Reichthum
auch in Heerden bestand. Wir fuhren in das Gast¬
haus des Thales, ließen unsere Reisedinge abpacken,
bestellten uns auf einige Tage Wohnung, und besuch¬
ten dann die sehr entfernten Verwandten, welche jezt
des Vaters Stammhaus bewohnten. Es war gegen

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mir völlig unbekannt, weil mich meine Wanderungen
nie hieher getragen hatten.

Am Saume des Waldes, der den Norden unſeres
Landes begrenzt, ging ein Thal hin, das einſt Wald
geweſen war, und das jezt zerſtreute Häuſer, einzelne
Felder, Wieſen, Felſen, Schluchten und rinnende
Waſſer in ſeinem Bereiche hegte. Eines der Häuſer,
halb aus Holz gezimmert und halb gemauert, war
das Geburthaus meines Vaters. Es ſtand am Rande
eines Wäldchens, das von dem großen Walde her¬
ſtammte, der einſt dieſe ganzen Gegenden bedeckt hatte.
Es war gegen Weſt durch eine Gruppe ſehr großer
und dicht ſtehender Buchen gedeckt, daß ihm die Winde
von dorther wenig anhaben konnten, hatte gegen Oſt
den Schuz eines Felſens, im Norden den des gro¬
ßen Waldbandes, und ſchaute gegen Süden auf
ſeine nicht unbeträchtlichen Wieſen und Felder, deren
Ergiebigkeit in Getreide gering in Futterkräutern
außerordentlich war, weßhalb der größere Reichthum
auch in Heerden beſtand. Wir fuhren in das Gaſt¬
haus des Thales, ließen unſere Reiſedinge abpacken,
beſtellten uns auf einige Tage Wohnung, und beſuch¬
ten dann die ſehr entfernten Verwandten, welche jezt
des Vaters Stammhaus bewohnten. Es war gegen

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[115/0129] mir völlig unbekannt, weil mich meine Wanderungen nie hieher getragen hatten. Am Saume des Waldes, der den Norden unſeres Landes begrenzt, ging ein Thal hin, das einſt Wald geweſen war, und das jezt zerſtreute Häuſer, einzelne Felder, Wieſen, Felſen, Schluchten und rinnende Waſſer in ſeinem Bereiche hegte. Eines der Häuſer, halb aus Holz gezimmert und halb gemauert, war das Geburthaus meines Vaters. Es ſtand am Rande eines Wäldchens, das von dem großen Walde her¬ ſtammte, der einſt dieſe ganzen Gegenden bedeckt hatte. Es war gegen Weſt durch eine Gruppe ſehr großer und dicht ſtehender Buchen gedeckt, daß ihm die Winde von dorther wenig anhaben konnten, hatte gegen Oſt den Schuz eines Felſens, im Norden den des gro¬ ßen Waldbandes, und ſchaute gegen Süden auf ſeine nicht unbeträchtlichen Wieſen und Felder, deren Ergiebigkeit in Getreide gering in Futterkräutern außerordentlich war, weßhalb der größere Reichthum auch in Heerden beſtand. Wir fuhren in das Gaſt¬ haus des Thales, ließen unſere Reiſedinge abpacken, beſtellten uns auf einige Tage Wohnung, und beſuch¬ ten dann die ſehr entfernten Verwandten, welche jezt des Vaters Stammhaus bewohnten. Es war gegen 8 *

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/129>, abgerufen am 24.11.2024.