weiße Gestalt der Brunnennimphe im Sternenhofe nach der jüngsten Vergangenheit als liebes Bild in die Seele geprägt worden war, so war sie doch ein Bild aus unserer Zeit, und war mit unseren Kräften zu fassen: hier stand das Alterthum in seiner Größe und Herrlichkeit. Was ist der Mensch, und wie hoch wird er, wenn er in solcher Umgebung und zwar in solcher Umgebung von größerer Fülle weilen darf.
Ich ging langsam die Treppe wieder hinan, und ging in den Marmorsaal. Seine Größe seine Leer¬ heit, der, wenn ein solches Wort erlaubt ist, dunkle Glanz, der von dem dunkeln und mit ungewissen und zweideutigen Lichtern wechselnden Tage auf seinen Wänden lag, und wechselte, ließ sich nach dem An¬ blicke der Gestalt des Alterthums tragen und ertragen. Ja der Saal erschien mir in dem finstern Tage noch größer und ernster als sonst, und ich weilte gerne in ihm, fast so gerne wie an jenem Abende, an welchem ich mit meinem Gastfreunde unter dem sanften Blizen eines Gewitterhimmels in ihm auf und ab gegan¬ gen war. Ich ging auch jezt wieder in demselben hin und wider, und ließ den Sturm draußen mit seinen trüben Lichtern die Wände herinnen mit ihrem matten
Stifter, Nachsommer. III. 13
weiße Geſtalt der Brunnennimphe im Sternenhofe nach der jüngſten Vergangenheit als liebes Bild in die Seele geprägt worden war, ſo war ſie doch ein Bild aus unſerer Zeit, und war mit unſeren Kräften zu faſſen: hier ſtand das Alterthum in ſeiner Größe und Herrlichkeit. Was iſt der Menſch, und wie hoch wird er, wenn er in ſolcher Umgebung und zwar in ſolcher Umgebung von größerer Fülle weilen darf.
Ich ging langſam die Treppe wieder hinan, und ging in den Marmorſaal. Seine Größe ſeine Leer¬ heit, der, wenn ein ſolches Wort erlaubt iſt, dunkle Glanz, der von dem dunkeln und mit ungewiſſen und zweideutigen Lichtern wechſelnden Tage auf ſeinen Wänden lag, und wechſelte, ließ ſich nach dem An¬ blicke der Geſtalt des Alterthums tragen und ertragen. Ja der Saal erſchien mir in dem finſtern Tage noch größer und ernſter als ſonſt, und ich weilte gerne in ihm, faſt ſo gerne wie an jenem Abende, an welchem ich mit meinem Gaſtfreunde unter dem ſanften Blizen eines Gewitterhimmels in ihm auf und ab gegan¬ gen war. Ich ging auch jezt wieder in demſelben hin und wider, und ließ den Sturm draußen mit ſeinen trüben Lichtern die Wände herinnen mit ihrem matten
Stifter, Nachſommer. III. 13
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weiße Geſtalt der Brunnennimphe im Sternenhofe
nach der jüngſten Vergangenheit als liebes Bild in
die Seele geprägt worden war, ſo war ſie doch ein
Bild aus unſerer Zeit, und war mit unſeren Kräften
zu faſſen: hier ſtand das Alterthum in ſeiner Größe
und Herrlichkeit. Was iſt der Menſch, und wie hoch
wird er, wenn er in ſolcher Umgebung und zwar in
ſolcher Umgebung von größerer Fülle weilen darf.
Ich ging langſam die Treppe wieder hinan, und
ging in den Marmorſaal. Seine Größe ſeine Leer¬
heit, der, wenn ein ſolches Wort erlaubt iſt, dunkle
Glanz, der von dem dunkeln und mit ungewiſſen und
zweideutigen Lichtern wechſelnden Tage auf ſeinen
Wänden lag, und wechſelte, ließ ſich nach dem An¬
blicke der Geſtalt des Alterthums tragen und ertragen.
Ja der Saal erſchien mir in dem finſtern Tage noch
größer und ernſter als ſonſt, und ich weilte gerne in
ihm, faſt ſo gerne wie an jenem Abende, an welchem
ich mit meinem Gaſtfreunde unter dem ſanften Blizen
eines Gewitterhimmels in ihm auf und ab gegan¬
gen war. Ich ging auch jezt wieder in demſelben hin
und wider, und ließ den Sturm draußen mit ſeinen
trüben Lichtern die Wände herinnen mit ihrem matten
Stifter, Nachſommer. III. 13
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/207>, abgerufen am 21.11.2024.
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