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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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Glanze und die Erinnerung der eben gesehenen Ge¬
stalt in mir wirken.

Nach einer Zeit trat ich durch die Thür, welche
in das Bilderzimmer führt. Die Bilder hingen in dem
düsteren Glanze des Tages da, und konnten selbst
dort, wo der Künstler die kraftvollsten Mittel des
Lichtes und Schattens angewendet hatte, nicht zur
vollen Wirksamkeit gelangen, weil das, was die Bil¬
der erst recht malen hilft, fehlte, die Macht eines son¬
nigen und heiteren Tages. Selbst als ich zu einigen,
die ich besonders liebte, näher getreten war, selbst als
ich vor einem Guido, der auf der Staffelei stand, die
nahe an das Fenster und in das beste Licht gerückt
worden war, niedersaß, um ihn zu betrachten, konnte
die Empfindung, die sonst diese Werke in mir erreg¬
ten, nicht emporkeimen. Ich erkannte bald die Ur¬
sache, welche darin bestand, daß ohnehin eine viel
höhere in meinem Gemüthe waltete, welche durch die
Gestalt des Alterthums in mir hervorgerufen worden
war. Die Gemälde erschienen mir beinahe klein. Ich
ging in das Bücherzimmer, nahm mir Odysseus aus
seinem Schreine, begab mich in das Lesezimmer, in
welchem die gesellige Flamme die Freundin des Men¬
schen, die ihm in der Finsterniß Licht und im Winter

Glanze und die Erinnerung der eben geſehenen Ge¬
ſtalt in mir wirken.

Nach einer Zeit trat ich durch die Thür, welche
in das Bilderzimmer führt. Die Bilder hingen in dem
düſteren Glanze des Tages da, und konnten ſelbſt
dort, wo der Künſtler die kraftvollſten Mittel des
Lichtes und Schattens angewendet hatte, nicht zur
vollen Wirkſamkeit gelangen, weil das, was die Bil¬
der erſt recht malen hilft, fehlte, die Macht eines ſon¬
nigen und heiteren Tages. Selbſt als ich zu einigen,
die ich beſonders liebte, näher getreten war, ſelbſt als
ich vor einem Guido, der auf der Staffelei ſtand, die
nahe an das Fenſter und in das beſte Licht gerückt
worden war, niederſaß, um ihn zu betrachten, konnte
die Empfindung, die ſonſt dieſe Werke in mir erreg¬
ten, nicht emporkeimen. Ich erkannte bald die Ur¬
ſache, welche darin beſtand, daß ohnehin eine viel
höhere in meinem Gemüthe waltete, welche durch die
Geſtalt des Alterthums in mir hervorgerufen worden
war. Die Gemälde erſchienen mir beinahe klein. Ich
ging in das Bücherzimmer, nahm mir Odyſſeus aus
ſeinem Schreine, begab mich in das Leſezimmer, in
welchem die geſellige Flamme die Freundin des Men¬
ſchen, die ihm in der Finſterniß Licht und im Winter

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[194/0208] Glanze und die Erinnerung der eben geſehenen Ge¬ ſtalt in mir wirken. Nach einer Zeit trat ich durch die Thür, welche in das Bilderzimmer führt. Die Bilder hingen in dem düſteren Glanze des Tages da, und konnten ſelbſt dort, wo der Künſtler die kraftvollſten Mittel des Lichtes und Schattens angewendet hatte, nicht zur vollen Wirkſamkeit gelangen, weil das, was die Bil¬ der erſt recht malen hilft, fehlte, die Macht eines ſon¬ nigen und heiteren Tages. Selbſt als ich zu einigen, die ich beſonders liebte, näher getreten war, ſelbſt als ich vor einem Guido, der auf der Staffelei ſtand, die nahe an das Fenſter und in das beſte Licht gerückt worden war, niederſaß, um ihn zu betrachten, konnte die Empfindung, die ſonſt dieſe Werke in mir erreg¬ ten, nicht emporkeimen. Ich erkannte bald die Ur¬ ſache, welche darin beſtand, daß ohnehin eine viel höhere in meinem Gemüthe waltete, welche durch die Geſtalt des Alterthums in mir hervorgerufen worden war. Die Gemälde erſchienen mir beinahe klein. Ich ging in das Bücherzimmer, nahm mir Odyſſeus aus ſeinem Schreine, begab mich in das Leſezimmer, in welchem die geſellige Flamme die Freundin des Men¬ ſchen, die ihm in der Finſterniß Licht und im Winter

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/208>, abgerufen am 21.11.2024.