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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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worden war, als die Worte jenes Liedes vernommen
worden waren, dessen Ruhm damals bis zu dem
Himmel reichte, als Odysseus das Haupt verhüllt
hatte, damit man die Thränen nicht sähe, welche ihm
aus den Augen floßen, als endlich Nausikae schlicht
und mit tiefem Gefühle an den Säulen der Pforte
des Saales stand: da gesellte sich auch lächelnd das
schöne Bild Nataliens zu mir; sie war die Nausikae
von jezt, so wahr so einfach nicht prunkend mit ihrem
Gefühle und es nicht verhehlend. Beide Gestalten
verschmolzen in einander, und ich las und dachte zu¬
gleich, und bald las ich, und bald dachte ich, und als
ich endlich sehr lange blos allein gedacht hatte, nahm
ich das Buch, das vor mir auf dem Tische lag, wie¬
der auf, trug es in das Bücherzimmer auf seinen
Plaz, und ging durch den Marmorsaal und den Gang
der Gastzimmer in meine Wohnung zurück.

Das Werk des Vormittages war abgethan.

Am Mittagtische fanden sich wieder dieselben Per¬
sonen ein, welche bei dem Frühmahle versammelt ge¬
wesen waren. Nach dem Genusse eines einfachen aber
für Gedeihen und Gesundheit sehr wohl zubereiteten
Mahles, wie es immer in dem Rosenhause sein mußte,
nach manchem freundlichen und erheiternden Gespräche

worden war, als die Worte jenes Liedes vernommen
worden waren, deſſen Ruhm damals bis zu dem
Himmel reichte, als Odyſſeus das Haupt verhüllt
hatte, damit man die Thränen nicht ſähe, welche ihm
aus den Augen floßen, als endlich Nauſikae ſchlicht
und mit tiefem Gefühle an den Säulen der Pforte
des Saales ſtand: da geſellte ſich auch lächelnd das
ſchöne Bild Nataliens zu mir; ſie war die Nauſikae
von jezt, ſo wahr ſo einfach nicht prunkend mit ihrem
Gefühle und es nicht verhehlend. Beide Geſtalten
verſchmolzen in einander, und ich las und dachte zu¬
gleich, und bald las ich, und bald dachte ich, und als
ich endlich ſehr lange blos allein gedacht hatte, nahm
ich das Buch, das vor mir auf dem Tiſche lag, wie¬
der auf, trug es in das Bücherzimmer auf ſeinen
Plaz, und ging durch den Marmorſaal und den Gang
der Gaſtzimmer in meine Wohnung zurück.

Das Werk des Vormittages war abgethan.

Am Mittagtiſche fanden ſich wieder dieſelben Per¬
ſonen ein, welche bei dem Frühmahle verſammelt ge¬
weſen waren. Nach dem Genuſſe eines einfachen aber
für Gedeihen und Geſundheit ſehr wohl zubereiteten
Mahles, wie es immer in dem Roſenhauſe ſein mußte,
nach manchem freundlichen und erheiternden Geſpräche

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[196/0210] worden war, als die Worte jenes Liedes vernommen worden waren, deſſen Ruhm damals bis zu dem Himmel reichte, als Odyſſeus das Haupt verhüllt hatte, damit man die Thränen nicht ſähe, welche ihm aus den Augen floßen, als endlich Nauſikae ſchlicht und mit tiefem Gefühle an den Säulen der Pforte des Saales ſtand: da geſellte ſich auch lächelnd das ſchöne Bild Nataliens zu mir; ſie war die Nauſikae von jezt, ſo wahr ſo einfach nicht prunkend mit ihrem Gefühle und es nicht verhehlend. Beide Geſtalten verſchmolzen in einander, und ich las und dachte zu¬ gleich, und bald las ich, und bald dachte ich, und als ich endlich ſehr lange blos allein gedacht hatte, nahm ich das Buch, das vor mir auf dem Tiſche lag, wie¬ der auf, trug es in das Bücherzimmer auf ſeinen Plaz, und ging durch den Marmorſaal und den Gang der Gaſtzimmer in meine Wohnung zurück. Das Werk des Vormittages war abgethan. Am Mittagtiſche fanden ſich wieder dieſelben Per¬ ſonen ein, welche bei dem Frühmahle verſammelt ge¬ weſen waren. Nach dem Genuſſe eines einfachen aber für Gedeihen und Geſundheit ſehr wohl zubereiteten Mahles, wie es immer in dem Roſenhauſe ſein mußte, nach manchem freundlichen und erheiternden Geſpräche

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/210>, abgerufen am 24.11.2024.