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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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rungslinie. Roland hatte ihn scherzweise auch immer
den Berührweg genannt. Die Obstbäume, die ihn
jezt häufig säumen, hat Mathilde meistens schon
erwachsen an ihn versezt. Früher war der ganze Weg
eine Allee von Pappeln gewesen; allein da er ganz
gerade durch die Gegend geht, und mit den geraden
Bäumen bepflanzt war, so erschien er sehr unschön,
und für einen Lustweg, was er sein sollte, wenig
geeignet. Nach Berathungen mit ihren Freunden
hatte Mathilde die Pappeln, welche außerdem auch
den Feldern sehr schädlich waren, nach und nach be¬
seitigt. Sie waren gefällt, und ihre Wurzeln aus¬
gegraben worden. Da man die Obstbäume an ihre
Stelle sezte, vermied man es absichtlich, an allen
Pläzen, an welchen Pappeln gestanden waren, Obst¬
bäume zu pflanzen, damit nicht wieder statt der
Pappelallee eine Obstbaumallee würde, was zwar
minder unschön als früher gewesen wäre, aber doch
immer noch nicht schön. Durch diese Unterbrechung
der Baumpflanzung erhielt der Weg, dessen gerade
Richtung schwer zu beseitigen gewesen wäre, und die
doch sonst zu eigenthümlich war, als daß man sie hätte
abändern sollen, wenn man nicht Alles nach ganz
neuen Gedanken einrichten wollte, die nöthige Ab¬

rungslinie. Roland hatte ihn ſcherzweiſe auch immer
den Berührweg genannt. Die Obſtbäume, die ihn
jezt häufig ſäumen, hat Mathilde meiſtens ſchon
erwachſen an ihn verſezt. Früher war der ganze Weg
eine Allee von Pappeln geweſen; allein da er ganz
gerade durch die Gegend geht, und mit den geraden
Bäumen bepflanzt war, ſo erſchien er ſehr unſchön,
und für einen Luſtweg, was er ſein ſollte, wenig
geeignet. Nach Berathungen mit ihren Freunden
hatte Mathilde die Pappeln, welche außerdem auch
den Feldern ſehr ſchädlich waren, nach und nach be¬
ſeitigt. Sie waren gefällt, und ihre Wurzeln aus¬
gegraben worden. Da man die Obſtbäume an ihre
Stelle ſezte, vermied man es abſichtlich, an allen
Pläzen, an welchen Pappeln geſtanden waren, Obſt¬
bäume zu pflanzen, damit nicht wieder ſtatt der
Pappelallee eine Obſtbaumallee würde, was zwar
minder unſchön als früher geweſen wäre, aber doch
immer noch nicht ſchön. Durch dieſe Unterbrechung
der Baumpflanzung erhielt der Weg, deſſen gerade
Richtung ſchwer zu beſeitigen geweſen wäre, und die
doch ſonſt zu eigenthümlich war, als daß man ſie hätte
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[12/0026] rungslinie. Roland hatte ihn ſcherzweiſe auch immer den Berührweg genannt. Die Obſtbäume, die ihn jezt häufig ſäumen, hat Mathilde meiſtens ſchon erwachſen an ihn verſezt. Früher war der ganze Weg eine Allee von Pappeln geweſen; allein da er ganz gerade durch die Gegend geht, und mit den geraden Bäumen bepflanzt war, ſo erſchien er ſehr unſchön, und für einen Luſtweg, was er ſein ſollte, wenig geeignet. Nach Berathungen mit ihren Freunden hatte Mathilde die Pappeln, welche außerdem auch den Feldern ſehr ſchädlich waren, nach und nach be¬ ſeitigt. Sie waren gefällt, und ihre Wurzeln aus¬ gegraben worden. Da man die Obſtbäume an ihre Stelle ſezte, vermied man es abſichtlich, an allen Pläzen, an welchen Pappeln geſtanden waren, Obſt¬ bäume zu pflanzen, damit nicht wieder ſtatt der Pappelallee eine Obſtbaumallee würde, was zwar minder unſchön als früher geweſen wäre, aber doch immer noch nicht ſchön. Durch dieſe Unterbrechung der Baumpflanzung erhielt der Weg, deſſen gerade Richtung ſchwer zu beſeitigen geweſen wäre, und die doch ſonſt zu eigenthümlich war, als daß man ſie hätte abändern ſollen, wenn man nicht Alles nach ganz neuen Gedanken einrichten wollte, die nöthige Ab¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/26>, abgerufen am 21.11.2024.