der Bund ist, den sie eben geschloßen hat. Sie ist leb¬ haft, sie hat ein Gefühl von ihrer Seele Besiz nehmen lassen, welches ihr angenehm ist, und welches wahr¬ scheinlich diese ihre ganze Seele erfüllt. Sollen wir sie in diesem Gefühle befangen sein lassen in der gan¬ zen Zeit, in der sie erst die wichtigsten Vorbereitun¬ gen zu ihrem künftigen Leben treffen muß, oder soll sie ruhiger sein, um diese Vorbereitungen in dem rech¬ ten Maße treffen zu können? Soll das Gefühl nun fortdauern, immer fort, bis wir sagen können, daß sie Braut sei? Wenn es fortdauert, wird es nicht peini¬ gende Stunden bringen, da es nicht so bald in seinen natürlichen Abschluß gelangen kann, und Zweifel Ungeduld Vorwärtstreiben Unmuth und Schmerz in seinem Gefolge führen? Wird es da nicht jene schönen edlen heitern ruhigen Tage wegfressen, die der aufblühenden Jungfrau bestimmt sind, ehe sie den Brautkranz in ihre Haare flicht? Sind nicht oft früh¬ zeitige auf weite Ziele gerichtete Neigungen die Zerstö¬ rerinnen des Lebensglückes geworden? Wenn ihr Ma¬ thilden liebt, wenn ihr sie mit wahrhafter Liebe eures Herzens liebt, könnt ihr sie einer solchen Gefahr aus¬ sezen wollen? Gräbt nicht tiefes Sehnen und heftiges Fühlen durch Jahre fortgesezt alle Kräfte des Men¬
der Bund iſt, den ſie eben geſchloßen hat. Sie iſt leb¬ haft, ſie hat ein Gefühl von ihrer Seele Beſiz nehmen laſſen, welches ihr angenehm iſt, und welches wahr¬ ſcheinlich dieſe ihre ganze Seele erfüllt. Sollen wir ſie in dieſem Gefühle befangen ſein laſſen in der gan¬ zen Zeit, in der ſie erſt die wichtigſten Vorbereitun¬ gen zu ihrem künftigen Leben treffen muß, oder ſoll ſie ruhiger ſein, um dieſe Vorbereitungen in dem rech¬ ten Maße treffen zu können? Soll das Gefühl nun fortdauern, immer fort, bis wir ſagen können, daß ſie Braut ſei? Wenn es fortdauert, wird es nicht peini¬ gende Stunden bringen, da es nicht ſo bald in ſeinen natürlichen Abſchluß gelangen kann, und Zweifel Ungeduld Vorwärtstreiben Unmuth und Schmerz in ſeinem Gefolge führen? Wird es da nicht jene ſchönen edlen heitern ruhigen Tage wegfreſſen, die der aufblühenden Jungfrau beſtimmt ſind, ehe ſie den Brautkranz in ihre Haare flicht? Sind nicht oft früh¬ zeitige auf weite Ziele gerichtete Neigungen die Zerſtö¬ rerinnen des Lebensglückes geworden? Wenn ihr Ma¬ thilden liebt, wenn ihr ſie mit wahrhafter Liebe eures Herzens liebt, könnt ihr ſie einer ſolchen Gefahr aus¬ ſezen wollen? Gräbt nicht tiefes Sehnen und heftiges Fühlen durch Jahre fortgeſezt alle Kräfte des Men¬
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der Bund iſt, den ſie eben geſchloßen hat. Sie iſt leb¬
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laſſen, welches ihr angenehm iſt, und welches wahr¬
ſcheinlich dieſe ihre ganze Seele erfüllt. Sollen wir
ſie in dieſem Gefühle befangen ſein laſſen in der gan¬
zen Zeit, in der ſie erſt die wichtigſten Vorbereitun¬
gen zu ihrem künftigen Leben treffen muß, oder ſoll
ſie ruhiger ſein, um dieſe Vorbereitungen in dem rech¬
ten Maße treffen zu können? Soll das Gefühl nun
fortdauern, immer fort, bis wir ſagen können, daß ſie
Braut ſei? Wenn es fortdauert, wird es nicht peini¬
gende Stunden bringen, da es nicht ſo bald in ſeinen
natürlichen Abſchluß gelangen kann, und Zweifel
Ungeduld Vorwärtstreiben Unmuth und Schmerz
in ſeinem Gefolge führen? Wird es da nicht jene
ſchönen edlen heitern ruhigen Tage wegfreſſen, die
der aufblühenden Jungfrau beſtimmt ſind, ehe ſie den
Brautkranz in ihre Haare flicht? Sind nicht oft früh¬
zeitige auf weite Ziele gerichtete Neigungen die Zerſtö¬
rerinnen des Lebensglückes geworden? Wenn ihr Ma¬
thilden liebt, wenn ihr ſie mit wahrhafter Liebe eures
Herzens liebt, könnt ihr ſie einer ſolchen Gefahr aus¬
ſezen wollen? Gräbt nicht tiefes Sehnen und heftiges
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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/322>, abgerufen am 22.11.2024.
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