rechten Wege betrachtet werden, regen sie auch das höchste Erstaunen an."
"So habe ich wohl immer gefühlt," sagte sie.
"Ich habe auf meinem Lebenswege durch viele Jahre Werke der Schöpfung betrachtet," erwiederte ich, "und dann auch, so weit es mir möglich war, Werke der Kunst kennen gelernt, und beide entzückten meine Seele."
Mit diesen Gesprächen waren wir allmählich dem Schlosse näher gekommen, und waren jezt bei dem Pförtchen.
An demselben blieb Natalie stehen, und sagte die Worte: "Ich habe gestern sehr lange mit der Mutter gesprochen, sie hat von ihrer Seite eine Einwendung gegen unseren Bund nicht zu machen."
Ihre feinen Züge überzog ein sanftes Roth, als sie diese Worte zu mir sprach. Sie wollte nun sogleich durch das Pförtchen hinein gehen, ich hielt sie aber zurück, und sagte: "Fräulein, ich hielte es nicht für Recht, wenn ich euch etwas verhehlte. Ich habe euch heute schon einmal gesehen, ehe wir zusammentrafen. Als ich am Morgen über den Gang hinter euren Zim¬ mern ins Freie gehen wollte, standen die Thüren in einen Vorsaal und in ein Zimmer offen, und ich sah
rechten Wege betrachtet werden, regen ſie auch das höchſte Erſtaunen an.“
„So habe ich wohl immer gefühlt,“ ſagte ſie.
„Ich habe auf meinem Lebenswege durch viele Jahre Werke der Schöpfung betrachtet,“ erwiederte ich, „und dann auch, ſo weit es mir möglich war, Werke der Kunſt kennen gelernt, und beide entzückten meine Seele.“
Mit dieſen Geſprächen waren wir allmählich dem Schloſſe näher gekommen, und waren jezt bei dem Pförtchen.
An demſelben blieb Natalie ſtehen, und ſagte die Worte: „Ich habe geſtern ſehr lange mit der Mutter geſprochen, ſie hat von ihrer Seite eine Einwendung gegen unſeren Bund nicht zu machen.“
Ihre feinen Züge überzog ein ſanftes Roth, als ſie dieſe Worte zu mir ſprach. Sie wollte nun ſogleich durch das Pförtchen hinein gehen, ich hielt ſie aber zurück, und ſagte: „Fräulein, ich hielte es nicht für Recht, wenn ich euch etwas verhehlte. Ich habe euch heute ſchon einmal geſehen, ehe wir zuſammentrafen. Als ich am Morgen über den Gang hinter euren Zim¬ mern ins Freie gehen wollte, ſtanden die Thüren in einen Vorſaal und in ein Zimmer offen, und ich ſah
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0040"n="26"/>
rechten Wege betrachtet werden, regen ſie auch das<lb/>
höchſte Erſtaunen an.“</p><lb/><p>„So habe ich wohl immer gefühlt,“ſagte ſie.</p><lb/><p>„Ich habe auf meinem Lebenswege durch viele<lb/>
Jahre Werke der Schöpfung betrachtet,“ erwiederte<lb/>
ich, „und dann auch, ſo weit es mir möglich war,<lb/>
Werke der Kunſt kennen gelernt, und beide entzückten<lb/>
meine Seele.“</p><lb/><p>Mit dieſen Geſprächen waren wir allmählich dem<lb/>
Schloſſe näher gekommen, und waren jezt bei dem<lb/>
Pförtchen.</p><lb/><p>An demſelben blieb Natalie ſtehen, und ſagte die<lb/>
Worte: „Ich habe geſtern ſehr lange mit der Mutter<lb/>
geſprochen, ſie hat von ihrer Seite eine Einwendung<lb/>
gegen unſeren Bund nicht zu machen.“</p><lb/><p>Ihre feinen Züge überzog ein ſanftes Roth, als<lb/>ſie dieſe Worte zu mir ſprach. Sie wollte nun ſogleich<lb/>
durch das Pförtchen hinein gehen, ich hielt ſie aber<lb/>
zurück, und ſagte: „Fräulein, ich hielte es nicht für<lb/>
Recht, wenn ich euch etwas verhehlte. Ich habe euch<lb/>
heute ſchon einmal geſehen, ehe wir zuſammentrafen.<lb/>
Als ich am Morgen über den Gang hinter euren Zim¬<lb/>
mern ins Freie gehen wollte, ſtanden die Thüren in<lb/>
einen Vorſaal und in ein Zimmer offen, und ich ſah<lb/></p></div></body></text></TEI>
[26/0040]
rechten Wege betrachtet werden, regen ſie auch das
höchſte Erſtaunen an.“
„So habe ich wohl immer gefühlt,“ ſagte ſie.
„Ich habe auf meinem Lebenswege durch viele
Jahre Werke der Schöpfung betrachtet,“ erwiederte
ich, „und dann auch, ſo weit es mir möglich war,
Werke der Kunſt kennen gelernt, und beide entzückten
meine Seele.“
Mit dieſen Geſprächen waren wir allmählich dem
Schloſſe näher gekommen, und waren jezt bei dem
Pförtchen.
An demſelben blieb Natalie ſtehen, und ſagte die
Worte: „Ich habe geſtern ſehr lange mit der Mutter
geſprochen, ſie hat von ihrer Seite eine Einwendung
gegen unſeren Bund nicht zu machen.“
Ihre feinen Züge überzog ein ſanftes Roth, als
ſie dieſe Worte zu mir ſprach. Sie wollte nun ſogleich
durch das Pförtchen hinein gehen, ich hielt ſie aber
zurück, und ſagte: „Fräulein, ich hielte es nicht für
Recht, wenn ich euch etwas verhehlte. Ich habe euch
heute ſchon einmal geſehen, ehe wir zuſammentrafen.
Als ich am Morgen über den Gang hinter euren Zim¬
mern ins Freie gehen wollte, ſtanden die Thüren in
einen Vorſaal und in ein Zimmer offen, und ich ſah
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/40>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.