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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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tung. Einiges bleibt aber immer übrig, was für das
nächste Jahr Nahrung liefert. Zudem kommen auch
von der Ferne Faltern hergeflogen. Sie wären wohl
auch die schönste Zierde eines Gartens, wenn ihre
Raupen nicht so oft für unsere menschlichen Bedürf¬
nisse so schädlich wären."

"Bringen denn nicht aber auch die Vögel manchen
Baumfrüchten Schaden?" fragte mein Vater.

"Ja sie bringen Schaden," entgegnete mein Gast¬
freund, "er trift hauptsächlich die Kirschenarten und
andere weichere Obstgattungen; aber im Verhältnisse
zu dem Nuzen, den mir die Vögel bringen, ist der
Schaden sehr geringe, sie sollen von dem Überflusse,
den sie mir verschaffen, auch einen Theil genießen,
und endlich, da sie neben ihrer natürlichen Nahrung
von mir noch außerordentliche und mitunter Lecker¬
bissen bekommen, so ist dadurch der Anlaß zu An¬
griffen auf mein Obst geringer."

Wir gingen durch den ganzen Garten. Jedes
Blumenbeet jede einzelne merkwürdigere Blume jeder
Baum jedes Gemüsebeet der Lindengang die Bienen¬
hütte die Gewächshäuser alles wurde genau betrach¬
tet. Der Tag hatte sich beinahe ganz ausgeheitert,
und eine Fülle von Blüthen lastete und duftete über¬

tung. Einiges bleibt aber immer übrig, was für das
nächſte Jahr Nahrung liefert. Zudem kommen auch
von der Ferne Faltern hergeflogen. Sie wären wohl
auch die ſchönſte Zierde eines Gartens, wenn ihre
Raupen nicht ſo oft für unſere menſchlichen Bedürf¬
niſſe ſo ſchädlich wären.“

„Bringen denn nicht aber auch die Vögel manchen
Baumfrüchten Schaden?“ fragte mein Vater.

„Ja ſie bringen Schaden,“ entgegnete mein Gaſt¬
freund, „er trift hauptſächlich die Kirſchenarten und
andere weichere Obſtgattungen; aber im Verhältniſſe
zu dem Nuzen, den mir die Vögel bringen, iſt der
Schaden ſehr geringe, ſie ſollen von dem Überfluſſe,
den ſie mir verſchaffen, auch einen Theil genießen,
und endlich, da ſie neben ihrer natürlichen Nahrung
von mir noch außerordentliche und mitunter Lecker¬
biſſen bekommen, ſo iſt dadurch der Anlaß zu An¬
griffen auf mein Obſt geringer.“

Wir gingen durch den ganzen Garten. Jedes
Blumenbeet jede einzelne merkwürdigere Blume jeder
Baum jedes Gemüſebeet der Lindengang die Bienen¬
hütte die Gewächshäuſer alles wurde genau betrach¬
tet. Der Tag hatte ſich beinahe ganz ausgeheitert,
und eine Fülle von Blüthen laſtete und duftete über¬

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[388/0402] tung. Einiges bleibt aber immer übrig, was für das nächſte Jahr Nahrung liefert. Zudem kommen auch von der Ferne Faltern hergeflogen. Sie wären wohl auch die ſchönſte Zierde eines Gartens, wenn ihre Raupen nicht ſo oft für unſere menſchlichen Bedürf¬ niſſe ſo ſchädlich wären.“ „Bringen denn nicht aber auch die Vögel manchen Baumfrüchten Schaden?“ fragte mein Vater. „Ja ſie bringen Schaden,“ entgegnete mein Gaſt¬ freund, „er trift hauptſächlich die Kirſchenarten und andere weichere Obſtgattungen; aber im Verhältniſſe zu dem Nuzen, den mir die Vögel bringen, iſt der Schaden ſehr geringe, ſie ſollen von dem Überfluſſe, den ſie mir verſchaffen, auch einen Theil genießen, und endlich, da ſie neben ihrer natürlichen Nahrung von mir noch außerordentliche und mitunter Lecker¬ biſſen bekommen, ſo iſt dadurch der Anlaß zu An¬ griffen auf mein Obſt geringer.“ Wir gingen durch den ganzen Garten. Jedes Blumenbeet jede einzelne merkwürdigere Blume jeder Baum jedes Gemüſebeet der Lindengang die Bienen¬ hütte die Gewächshäuſer alles wurde genau betrach¬ tet. Der Tag hatte ſich beinahe ganz ausgeheitert, und eine Fülle von Blüthen laſtete und duftete über¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/402>, abgerufen am 22.11.2024.