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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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so vortrefflichen Leuten gewesen, du würdest auch ohne
dem nicht unwürdig gewählt haben, und hast du ge¬
wählt, so ist dein Geist gut, und wird sich in Kürze
in ein Frauenherz finden, wie auch sie ihr Leben in
dem deinigen finden wird. Es sind nicht alle es sind
nicht viele Verbindungen dieser Art glücklich; ich
kenne einen großen Theil der Stadt, und habe auch
einen nicht zu kleinen Theil des Lebens beobachtet.
Du hast im Grunde nur unsere Ehe gesehen: möge
die deinige so glücklich sein, als es die meine mit
deinem ehrwürdigen Vater ist."

Ich antwortete nicht, es wurden mir die Au¬
gen naß.

"Klotilde wird jezt einsam sein," fuhr die Mutter
fort, "sie hat keine andere Neigung als unser Haus
als Vater und Mutter und als dich."

"Mutter," antwortete ich, "wenn du Natalien sehen
wirst, wenn du erfahren wirst, wie sie einfach und
gerecht ist, wie ihr Sinn nach dem Gültigen und
Hohen strebt, wie sie schlicht vor uns allen wandelt,
und wie sie viel viel besser ist als ich, so wirst du nicht
mehr von einer Vereinsamung sprechen sondern von
einer Verbindung, Klotilde wird um eines mehr haben
als jezt, und du und der Vater werdet um eines mehr

ſo vortrefflichen Leuten geweſen, du würdeſt auch ohne
dem nicht unwürdig gewählt haben, und haſt du ge¬
wählt, ſo iſt dein Geiſt gut, und wird ſich in Kürze
in ein Frauenherz finden, wie auch ſie ihr Leben in
dem deinigen finden wird. Es ſind nicht alle es ſind
nicht viele Verbindungen dieſer Art glücklich; ich
kenne einen großen Theil der Stadt, und habe auch
einen nicht zu kleinen Theil des Lebens beobachtet.
Du haſt im Grunde nur unſere Ehe geſehen: möge
die deinige ſo glücklich ſein, als es die meine mit
deinem ehrwürdigen Vater iſt.“

Ich antwortete nicht, es wurden mir die Au¬
gen naß.

„Klotilde wird jezt einſam ſein,“ fuhr die Mutter
fort, „ſie hat keine andere Neigung als unſer Haus
als Vater und Mutter und als dich.“

„Mutter,“ antwortete ich, „wenn du Natalien ſehen
wirſt, wenn du erfahren wirſt, wie ſie einfach und
gerecht iſt, wie ihr Sinn nach dem Gültigen und
Hohen ſtrebt, wie ſie ſchlicht vor uns allen wandelt,
und wie ſie viel viel beſſer iſt als ich, ſo wirſt du nicht
mehr von einer Vereinſamung ſprechen ſondern von
einer Verbindung, Klotilde wird um eines mehr haben
als jezt, und du und der Vater werdet um eines mehr

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[41/0055] ſo vortrefflichen Leuten geweſen, du würdeſt auch ohne dem nicht unwürdig gewählt haben, und haſt du ge¬ wählt, ſo iſt dein Geiſt gut, und wird ſich in Kürze in ein Frauenherz finden, wie auch ſie ihr Leben in dem deinigen finden wird. Es ſind nicht alle es ſind nicht viele Verbindungen dieſer Art glücklich; ich kenne einen großen Theil der Stadt, und habe auch einen nicht zu kleinen Theil des Lebens beobachtet. Du haſt im Grunde nur unſere Ehe geſehen: möge die deinige ſo glücklich ſein, als es die meine mit deinem ehrwürdigen Vater iſt.“ Ich antwortete nicht, es wurden mir die Au¬ gen naß. „Klotilde wird jezt einſam ſein,“ fuhr die Mutter fort, „ſie hat keine andere Neigung als unſer Haus als Vater und Mutter und als dich.“ „Mutter,“ antwortete ich, „wenn du Natalien ſehen wirſt, wenn du erfahren wirſt, wie ſie einfach und gerecht iſt, wie ihr Sinn nach dem Gültigen und Hohen ſtrebt, wie ſie ſchlicht vor uns allen wandelt, und wie ſie viel viel beſſer iſt als ich, ſo wirſt du nicht mehr von einer Vereinſamung ſprechen ſondern von einer Verbindung, Klotilde wird um eines mehr haben als jezt, und du und der Vater werdet um eines mehr

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/55>, abgerufen am 24.11.2024.