Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir traten an das Fenster. Der Schauplaz hatte sich
vollkommen geändert. Es war ein durchaus schöner
Tag und die Sonne erhob sich strahlend in einem
unermeßlichen Blau. Was doch so ein Gewitter ist!
Das Zarteste das Weichste der Natur ist es, wodurch
ein solcher Aufruhr veranlaßt wird. Die feinen
unsichtbaren Dünste des Himmels, die in der Hize
des Tages oder in der Hize mehrerer Tage unschädlich
in dem unermeßlichen Raume aufgehängt sind, meh¬
ren sich immer, bis die Luft an der Erde so erhizt und
verdünnt ist, daß die oberen Lasten derselben nieder¬
sinken, daß die tieferen Dünste durch sie erkühlt wer¬
den, oder daß sie auch von einem andern kalten
Hauche angeweht werden, wodurch sie sich sogleich zu
Nebelballen bilden, das electrische Feuer erzeugen, und
den Sturm wach rufen, neue Kälte bewirken, neue
Nebel erregen, sodann mit dem Sturme daher fahren,
und ihre Mengen, die zusammen schießen, sei es in
Eis, sei es in geschlossenen Tropfen, auf die Erde
niederschütten. Und haben sie sie nieder geschüttet,
und hat die Luft sich gemischt, so steht sie bald wieder
in ihrer Reinheit und Klarheit oft schon am andern
Tage da, um wieder die Dünste aufzunehmen, die in
der Hize erzeugt werden, wieder allmählich dasselbe
Spiel zu beginnen, und so die Abwechslung von

Wir traten an das Fenſter. Der Schauplaz hatte ſich
vollkommen geändert. Es war ein durchaus ſchöner
Tag und die Sonne erhob ſich ſtrahlend in einem
unermeßlichen Blau. Was doch ſo ein Gewitter iſt!
Das Zarteſte das Weichſte der Natur iſt es, wodurch
ein ſolcher Aufruhr veranlaßt wird. Die feinen
unſichtbaren Dünſte des Himmels, die in der Hize
des Tages oder in der Hize mehrerer Tage unſchädlich
in dem unermeßlichen Raume aufgehängt ſind, meh¬
ren ſich immer, bis die Luft an der Erde ſo erhizt und
verdünnt iſt, daß die oberen Laſten derſelben nieder¬
ſinken, daß die tieferen Dünſte durch ſie erkühlt wer¬
den, oder daß ſie auch von einem andern kalten
Hauche angeweht werden, wodurch ſie ſich ſogleich zu
Nebelballen bilden, das electriſche Feuer erzeugen, und
den Sturm wach rufen, neue Kälte bewirken, neue
Nebel erregen, ſodann mit dem Sturme daher fahren,
und ihre Mengen, die zuſammen ſchießen, ſei es in
Eis, ſei es in geſchloſſenen Tropfen, auf die Erde
niederſchütten. Und haben ſie ſie nieder geſchüttet,
und hat die Luft ſich gemiſcht, ſo ſteht ſie bald wieder
in ihrer Reinheit und Klarheit oft ſchon am andern
Tage da, um wieder die Dünſte aufzunehmen, die in
der Hize erzeugt werden, wieder allmählich dasſelbe
Spiel zu beginnen, und ſo die Abwechſlung von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="118"/>
Wir traten an das Fen&#x017F;ter. Der Schauplaz hatte &#x017F;ich<lb/>
vollkommen geändert. Es war ein durchaus &#x017F;chöner<lb/>
Tag und die Sonne erhob &#x017F;ich &#x017F;trahlend in einem<lb/>
unermeßlichen Blau. Was doch &#x017F;o ein Gewitter i&#x017F;t!<lb/>
Das Zarte&#x017F;te das Weich&#x017F;te der Natur i&#x017F;t es, wodurch<lb/>
ein &#x017F;olcher <choice><sic>Anfruhr</sic><corr>Aufruhr</corr></choice> veranlaßt wird. Die feinen<lb/>
un&#x017F;ichtbaren Dün&#x017F;te des Himmels, die in der Hize<lb/>
des Tages oder in der Hize mehrerer Tage un&#x017F;chädlich<lb/>
in dem unermeßlichen Raume aufgehängt &#x017F;ind, meh¬<lb/>
ren &#x017F;ich immer, bis die Luft an der Erde &#x017F;o erhizt und<lb/>
verdünnt i&#x017F;t, daß die oberen La&#x017F;ten der&#x017F;elben nieder¬<lb/>
&#x017F;inken, daß die tieferen Dün&#x017F;te durch &#x017F;ie erkühlt wer¬<lb/>
den, oder daß &#x017F;ie auch von einem andern kalten<lb/>
Hauche angeweht werden, wodurch &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;ogleich zu<lb/>
Nebelballen bilden, das electri&#x017F;che Feuer erzeugen, und<lb/>
den Sturm wach rufen, neue Kälte bewirken, neue<lb/>
Nebel erregen, &#x017F;odann mit dem Sturme daher fahren,<lb/>
und ihre Mengen, die zu&#x017F;ammen &#x017F;chießen, &#x017F;ei es in<lb/>
Eis, &#x017F;ei es in ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Tropfen, auf die Erde<lb/>
nieder&#x017F;chütten. Und haben &#x017F;ie &#x017F;ie nieder ge&#x017F;chüttet,<lb/>
und hat die Luft &#x017F;ich gemi&#x017F;cht, &#x017F;o &#x017F;teht &#x017F;ie bald wieder<lb/>
in ihrer Reinheit und Klarheit oft &#x017F;chon am andern<lb/>
Tage da, um wieder die Dün&#x017F;te aufzunehmen, die in<lb/>
der Hize erzeugt werden, wieder allmählich das&#x017F;elbe<lb/>
Spiel zu beginnen, und &#x017F;o die Abwech&#x017F;lung von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0131] Wir traten an das Fenſter. Der Schauplaz hatte ſich vollkommen geändert. Es war ein durchaus ſchöner Tag und die Sonne erhob ſich ſtrahlend in einem unermeßlichen Blau. Was doch ſo ein Gewitter iſt! Das Zarteſte das Weichſte der Natur iſt es, wodurch ein ſolcher Aufruhr veranlaßt wird. Die feinen unſichtbaren Dünſte des Himmels, die in der Hize des Tages oder in der Hize mehrerer Tage unſchädlich in dem unermeßlichen Raume aufgehängt ſind, meh¬ ren ſich immer, bis die Luft an der Erde ſo erhizt und verdünnt iſt, daß die oberen Laſten derſelben nieder¬ ſinken, daß die tieferen Dünſte durch ſie erkühlt wer¬ den, oder daß ſie auch von einem andern kalten Hauche angeweht werden, wodurch ſie ſich ſogleich zu Nebelballen bilden, das electriſche Feuer erzeugen, und den Sturm wach rufen, neue Kälte bewirken, neue Nebel erregen, ſodann mit dem Sturme daher fahren, und ihre Mengen, die zuſammen ſchießen, ſei es in Eis, ſei es in geſchloſſenen Tropfen, auf die Erde niederſchütten. Und haben ſie ſie nieder geſchüttet, und hat die Luft ſich gemiſcht, ſo ſteht ſie bald wieder in ihrer Reinheit und Klarheit oft ſchon am andern Tage da, um wieder die Dünſte aufzunehmen, die in der Hize erzeugt werden, wieder allmählich dasſelbe Spiel zu beginnen, und ſo die Abwechſlung von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/131
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/131>, abgerufen am 25.05.2024.