Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

und ein Brett, auf dem schwarze Brote lagen, und ein
Topf mit Milch stand: das war die ganze Geräth¬
schaft. Als wir wieder aus dem Zimmer heraus getreten
waren, schloß er es zu, wir nahmen Abschied, und
versprachen, uns bald wieder zu sehen.

Ich trat in die kühle reine Luft und auf die nasse
Wiese hinaus. Ich hatte wohl noch den Gedanken,
wie es sonderbar sei, daß wir immer nur in dem
Erdgeschoße gewesen seien, und daß ich doch in der
Nacht und am Morgen deutlich Tritte oberhalb unser
in dem Pfarrhofe vernommen hatte; allein ich ließ
mich den Gedanken nicht weiter anfechten, und schritt
vorwärts.

Ich ging nicht auf meinem eigentlichen Wege, son¬
dern ich schlug die Richtung gegen die Zirder ein.
Wenn man ein Land vermißt, wenn man viele Jahre
lang Länder und ihre Gestalten auf Papier zeichnet,
so nimmt man auch Antheil an der Beschaffenheit der
Länder, und gewinnt sie lieb. Ich ging gegen die Zir¬
der, weil ich sehen wollte, welche Wirkungen ihr
Austritt hervorgebracht hatte, und welche Verän¬
derungen er in der unmittelbaren Nähe eingeleitet
haben möge. Als ich eine Weile vor dem Wasser
stand, und sein Walten betrachtete, ohne daß ich eben
andere Wirkungen als den bloßen Austritt wahrneh¬

und ein Brett, auf dem ſchwarze Brote lagen, und ein
Topf mit Milch ſtand: das war die ganze Geräth¬
ſchaft. Als wir wieder aus dem Zimmer heraus getreten
waren, ſchloß er es zu, wir nahmen Abschied, und
verſprachen, uns bald wieder zu ſehen.

Ich trat in die kühle reine Luft und auf die naſſe
Wieſe hinaus. Ich hatte wohl noch den Gedanken,
wie es ſonderbar ſei, daß wir immer nur in dem
Erdgeſchoße geweſen ſeien, und daß ich doch in der
Nacht und am Morgen deutlich Tritte oberhalb unſer
in dem Pfarrhofe vernommen hatte; allein ich ließ
mich den Gedanken nicht weiter anfechten, und ſchritt
vorwärts.

Ich ging nicht auf meinem eigentlichen Wege, ſon¬
dern ich ſchlug die Richtung gegen die Zirder ein.
Wenn man ein Land vermißt, wenn man viele Jahre
lang Länder und ihre Geſtalten auf Papier zeichnet,
ſo nimmt man auch Antheil an der Beſchaffenheit der
Länder, und gewinnt ſie lieb. Ich ging gegen die Zir¬
der, weil ich ſehen wollte, welche Wirkungen ihr
Austritt hervorgebracht hatte, und welche Verän¬
derungen er in der unmittelbaren Nähe eingeleitet
haben möge. Als ich eine Weile vor dem Waſſer
ſtand, und ſein Walten betrachtete, ohne daß ich eben
andere Wirkungen als den bloßen Austritt wahrneh¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0135" n="122"/>
und ein Brett, auf dem &#x017F;chwarze Brote lagen, und ein<lb/>
Topf mit Milch &#x017F;tand: das war die ganze Geräth¬<lb/>
&#x017F;chaft. Als wir wieder aus dem Zimmer heraus getreten<lb/>
waren, &#x017F;chloß er es zu, wir nahmen Abschied, und<lb/>
ver&#x017F;prachen, uns bald wieder zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Ich trat in die kühle reine Luft und auf die na&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Wie&#x017F;e hinaus. Ich hatte wohl noch den Gedanken,<lb/>
wie es &#x017F;onderbar &#x017F;ei, daß wir immer nur in dem<lb/>
Erdge&#x017F;choße gewe&#x017F;en &#x017F;eien, und daß ich doch in der<lb/>
Nacht und am Morgen deutlich Tritte oberhalb un&#x017F;er<lb/>
in dem Pfarrhofe vernommen hatte; allein ich ließ<lb/>
mich den Gedanken nicht weiter anfechten, und &#x017F;chritt<lb/>
vorwärts.</p><lb/>
        <p>Ich ging nicht auf meinem eigentlichen Wege, &#x017F;on¬<lb/>
dern ich &#x017F;chlug die Richtung gegen die Zirder ein.<lb/>
Wenn man ein Land vermißt, wenn man viele Jahre<lb/>
lang Länder und ihre Ge&#x017F;talten auf Papier zeichnet,<lb/>
&#x017F;o nimmt man auch Antheil an der Be&#x017F;chaffenheit der<lb/>
Länder, und gewinnt &#x017F;ie lieb. Ich ging gegen die Zir¬<lb/>
der, weil ich &#x017F;ehen wollte, welche Wirkungen ihr<lb/>
Austritt hervorgebracht hatte, und welche Verän¬<lb/>
derungen er in der unmittelbaren Nähe eingeleitet<lb/>
haben möge. Als ich eine Weile vor dem Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;tand, und &#x017F;ein Walten betrachtete, ohne daß ich eben<lb/>
andere Wirkungen als den bloßen Austritt wahrneh¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0135] und ein Brett, auf dem ſchwarze Brote lagen, und ein Topf mit Milch ſtand: das war die ganze Geräth¬ ſchaft. Als wir wieder aus dem Zimmer heraus getreten waren, ſchloß er es zu, wir nahmen Abschied, und verſprachen, uns bald wieder zu ſehen. Ich trat in die kühle reine Luft und auf die naſſe Wieſe hinaus. Ich hatte wohl noch den Gedanken, wie es ſonderbar ſei, daß wir immer nur in dem Erdgeſchoße geweſen ſeien, und daß ich doch in der Nacht und am Morgen deutlich Tritte oberhalb unſer in dem Pfarrhofe vernommen hatte; allein ich ließ mich den Gedanken nicht weiter anfechten, und ſchritt vorwärts. Ich ging nicht auf meinem eigentlichen Wege, ſon¬ dern ich ſchlug die Richtung gegen die Zirder ein. Wenn man ein Land vermißt, wenn man viele Jahre lang Länder und ihre Geſtalten auf Papier zeichnet, ſo nimmt man auch Antheil an der Beſchaffenheit der Länder, und gewinnt ſie lieb. Ich ging gegen die Zir¬ der, weil ich ſehen wollte, welche Wirkungen ihr Austritt hervorgebracht hatte, und welche Verän¬ derungen er in der unmittelbaren Nähe eingeleitet haben möge. Als ich eine Weile vor dem Waſſer ſtand, und ſein Walten betrachtete, ohne daß ich eben andere Wirkungen als den bloßen Austritt wahrneh¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/135
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/135>, abgerufen am 24.11.2024.