"Um jene Zeit that ich die Bitte, daß man erlau¬ ben möge, daß ich wieder unsere alte Studierstube beziehen, und dort wohnen dürfe. Man gewährte die Bitte, und ich schafte meine Habseligkeiten durch den langen Gang in die Stube. Weil der Vater in dem Geschäfte keine Anordnungen und keine Befehle ertheilte, und weil mir der Bruder keine Arbeit auf¬ trug, hatte ich Muße, zu thun, was ich wollte. Da man mir damals, als ich in unseren Lehrgegenständen keine genügenden Zeugnisse erhalten hatte, keinen Vorwurf gemacht hatte, so beschloß ich, jezt alles nachzuholen, und alles so zu lernen, wie es sich ge¬ bührte. Ich nahm ein Buch aus der Lade, sezte mich dazu, und las den Anfang. Ich verstand alles, und lernte es, und merkte es mir. Am andern Tage wie¬ derholte ich das, was ich an dem vorigen Tage gelernt hatte, versuchte, ob ich es noch wisse, und lernte ein neues Stük dazu. Ich gab mir nur Weniges zur Aufgabe, aber ich suchte es zu verstehen, und es gründ¬ lich in meinem Gedächtnisse aufzubewahren. Ich gab mir auch Aufgaben zur Ausarbeitung, und sie gelan¬ gen. Ich suchte die Aufgaben hervor, welche uns damals von unserem Lehrer gegeben worden waren, machte sie noch einmal, und machte jezt keinen Fehler. Wie ich es mit dem einen Buche gemacht hatte, machte
„Um jene Zeit that ich die Bitte, daß man erlau¬ ben möge, daß ich wieder unſere alte Studierſtube beziehen, und dort wohnen dürfe. Man gewährte die Bitte, und ich ſchafte meine Habſeligkeiten durch den langen Gang in die Stube. Weil der Vater in dem Geſchäfte keine Anordnungen und keine Befehle ertheilte, und weil mir der Bruder keine Arbeit auf¬ trug, hatte ich Muße, zu thun, was ich wollte. Da man mir damals, als ich in unſeren Lehrgegenſtänden keine genügenden Zeugniſſe erhalten hatte, keinen Vorwurf gemacht hatte, ſo beſchloß ich, jezt alles nachzuholen, und alles ſo zu lernen, wie es ſich ge¬ bührte. Ich nahm ein Buch aus der Lade, ſezte mich dazu, und las den Anfang. Ich verſtand alles, und lernte es, und merkte es mir. Am andern Tage wie¬ derholte ich das, was ich an dem vorigen Tage gelernt hatte, verſuchte, ob ich es noch wiſſe, und lernte ein neues Stük dazu. Ich gab mir nur Weniges zur Aufgabe, aber ich ſuchte es zu verſtehen, und es gründ¬ lich in meinem Gedächtniſſe aufzubewahren. Ich gab mir auch Aufgaben zur Ausarbeitung, und ſie gelan¬ gen. Ich ſuchte die Aufgaben hervor, welche uns damals von unſerem Lehrer gegeben worden waren, machte ſie noch einmal, und machte jezt keinen Fehler. Wie ich es mit dem einen Buche gemacht hatte, machte
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„Um jene Zeit that ich die Bitte, daß man erlau¬
ben möge, daß ich wieder unſere alte Studierſtube
beziehen, und dort wohnen dürfe. Man gewährte die
Bitte, und ich ſchafte meine Habſeligkeiten durch den
langen Gang in die Stube. Weil der Vater in dem
Geſchäfte keine Anordnungen und keine Befehle
ertheilte, und weil mir der Bruder keine Arbeit auf¬
trug, hatte ich Muße, zu thun, was ich wollte. Da
man mir damals, als ich in unſeren Lehrgegenſtänden
keine genügenden Zeugniſſe erhalten hatte, keinen
Vorwurf gemacht hatte, ſo beſchloß ich, jezt alles
nachzuholen, und alles ſo zu lernen, wie es ſich ge¬
bührte. Ich nahm ein Buch aus der Lade, ſezte mich
dazu, und las den Anfang. Ich verſtand alles, und
lernte es, und merkte es mir. Am andern Tage wie¬
derholte ich das, was ich an dem vorigen Tage gelernt
hatte, verſuchte, ob ich es noch wiſſe, und lernte ein
neues Stük dazu. Ich gab mir nur Weniges zur
Aufgabe, aber ich ſuchte es zu verſtehen, und es gründ¬
lich in meinem Gedächtniſſe aufzubewahren. Ich gab
mir auch Aufgaben zur Ausarbeitung, und ſie gelan¬
gen. Ich ſuchte die Aufgaben hervor, welche uns
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/167>, abgerufen am 25.11.2024.
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