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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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bares. Mein Bruder hatte einen großen Wechsler,
der ihm stets auf Treu und Glauben das Geld für
laufende Ausgaben bis zu einer festgesezten Summe
lieferte, um sich nach Umständen immer wieder aus¬
zugleichen. Ich weiß es nicht, haben andere Leute
meinem Bruder den Glauben untergraben, oder hat
der Wechsler selber, weil zwei Handelschaften, die uns
bedeutend schuldeten, gefallen waren, und uns um
unsern Reichthum brachten, Mißtrauen geschöpft: er
weigerte sich fortan die Wechsel unseres Hauses zu
zahlen. Der Bruder sollte mehrere mit Summen de¬
ken, und es fehlte hinlängliches bares Geld dazu.
Die Freunde, an welche er sich wendete, schöpften sel¬
ber Mißtrauen, und so kam es, daß die Wechselgläu¬
biger die Klage anstellten, daß unser Haus unsere
andern Besizungen und unsere Waaren abgeschäzt
wurden, ob sie hinreichen, ohne daß man an unsere
ausstehenden Forderungen zu greifen hätte. Da nun
dies bekannt wurde, kamen alle, welche eine Foder¬
ung hatten, und wollten sie erfüllt haben; aber die,
welche uns schuldeten, kamen nicht. Der Bruder
wollte mir nichts entdeken, damit ich mich nicht kränk¬
te, er gedachte es noch vorüber zu führen. Allein da
der Verkauf unseres Hauses zu sofortiger Dekung der
Wechselschulden angeordnet wurde, konnte er es mir

bares. Mein Bruder hatte einen großen Wechſler,
der ihm ſtets auf Treu und Glauben das Geld für
laufende Ausgaben bis zu einer feſtgeſezten Summe
lieferte, um ſich nach Umſtänden immer wieder aus¬
zugleichen. Ich weiß es nicht, haben andere Leute
meinem Bruder den Glauben untergraben, oder hat
der Wechſler ſelber, weil zwei Handelſchaften, die uns
bedeutend ſchuldeten, gefallen waren, und uns um
unſern Reichthum brachten, Mißtrauen geſchöpft: er
weigerte ſich fortan die Wechſel unſeres Hauſes zu
zahlen. Der Bruder ſollte mehrere mit Summen de¬
ken, und es fehlte hinlängliches bares Geld dazu.
Die Freunde, an welche er ſich wendete, ſchöpften ſel¬
ber Mißtrauen, und ſo kam es, daß die Wechſelgläu¬
biger die Klage anſtellten, daß unſer Haus unſere
andern Beſizungen und unſere Waaren abgeſchäzt
wurden, ob ſie hinreichen, ohne daß man an unſere
ausſtehenden Forderungen zu greifen hätte. Da nun
dies bekannt wurde, kamen alle, welche eine Foder¬
ung hatten, und wollten ſie erfüllt haben; aber die,
welche uns ſchuldeten, kamen nicht. Der Bruder
wollte mir nichts entdeken, damit ich mich nicht kränk¬
te, er gedachte es noch vorüber zu führen. Allein da
der Verkauf unſeres Hauſes zu ſofortiger Dekung der
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[168/0181] bares. Mein Bruder hatte einen großen Wechſler, der ihm ſtets auf Treu und Glauben das Geld für laufende Ausgaben bis zu einer feſtgeſezten Summe lieferte, um ſich nach Umſtänden immer wieder aus¬ zugleichen. Ich weiß es nicht, haben andere Leute meinem Bruder den Glauben untergraben, oder hat der Wechſler ſelber, weil zwei Handelſchaften, die uns bedeutend ſchuldeten, gefallen waren, und uns um unſern Reichthum brachten, Mißtrauen geſchöpft: er weigerte ſich fortan die Wechſel unſeres Hauſes zu zahlen. Der Bruder ſollte mehrere mit Summen de¬ ken, und es fehlte hinlängliches bares Geld dazu. Die Freunde, an welche er ſich wendete, ſchöpften ſel¬ ber Mißtrauen, und ſo kam es, daß die Wechſelgläu¬ biger die Klage anſtellten, daß unſer Haus unſere andern Beſizungen und unſere Waaren abgeſchäzt wurden, ob ſie hinreichen, ohne daß man an unſere ausſtehenden Forderungen zu greifen hätte. Da nun dies bekannt wurde, kamen alle, welche eine Foder¬ ung hatten, und wollten ſie erfüllt haben; aber die, welche uns ſchuldeten, kamen nicht. Der Bruder wollte mir nichts entdeken, damit ich mich nicht kränk¬ te, er gedachte es noch vorüber zu führen. Allein da der Verkauf unſeres Hauſes zu ſofortiger Dekung der Wechſelſchulden angeordnet wurde, konnte er es mir

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/181>, abgerufen am 24.11.2024.