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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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nicht mehr verbergen. Er kam auf meine Stube, und
sagte mir alles. Ich gab ihm das Geld, das ich hatte;
denn meine Bedürfnisse waren sehr gering gewesen,
und ich hatte einen großen Theil meiner Einkünfte
ersparen können. Ich öffnete die schmalen oberen Fä¬
cher meiner Kästen, und legte alles mein Silber auf
unsern eichenen Lerntisch heraus, und both es ihm an.
Er sagte, daß das nicht reiche, um das Haus und
das Geschäft zu retten, und er weigerte sich, es anzu¬
nehmen. Auch das Gericht machte keine Foderung an
mich, aber ich konnte es nicht leiden, daß mein Bru¬
der etwas unerfüllt ließe, und sein Gewissen belastete,
ich that daher alles zu den andern Werthen. Es
reichte zusammen hin, daß allen Gläubigern ihre Fo¬
derungen ausgezahlt, und sie bis auf das Genaueste
befriediget werden konnten. Allein unser schönes Haus
mit seinem hinteren Flügel und unser schöner Garten
war verloren."

"Ich weiß nicht, welche andere Schläge noch ka¬
men; aber auch die Aussicht, mit dem ausstehenden
Gelde noch ein kleines Geschäft einzuleiten, und uns
nach und nach wieder empor zu schwingen, war in kur¬
zer Zeit vereitelt."

"Mein Bruder, welcher unverheirathet war,
grämte sich so, daß er in ein Fieber verfiel, und starb.

nicht mehr verbergen. Er kam auf meine Stube, und
ſagte mir alles. Ich gab ihm das Geld, das ich hatte;
denn meine Bedürfniſſe waren ſehr gering geweſen,
und ich hatte einen großen Theil meiner Einkünfte
erſparen können. Ich öffnete die ſchmalen oberen Fä¬
cher meiner Käſten, und legte alles mein Silber auf
unſern eichenen Lerntiſch heraus, und both es ihm an.
Er ſagte, daß das nicht reiche, um das Haus und
das Geſchäft zu retten, und er weigerte ſich, es anzu¬
nehmen. Auch das Gericht machte keine Foderung an
mich, aber ich konnte es nicht leiden, daß mein Bru¬
der etwas unerfüllt ließe, und ſein Gewiſſen belaſtete,
ich that daher alles zu den andern Werthen. Es
reichte zuſammen hin, daß allen Gläubigern ihre Fo¬
derungen ausgezahlt, und ſie bis auf das Genaueſte
befriediget werden konnten. Allein unſer ſchönes Haus
mit ſeinem hinteren Flügel und unſer ſchöner Garten
war verloren.“

„Ich weiß nicht, welche andere Schläge noch ka¬
men; aber auch die Ausſicht, mit dem ausſtehenden
Gelde noch ein kleines Geſchäft einzuleiten, und uns
nach und nach wieder empor zu ſchwingen, war in kur¬
zer Zeit vereitelt.“

„Mein Bruder, welcher unverheirathet war,
grämte ſich ſo, daß er in ein Fieber verfiel, und ſtarb.

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[169/0182] nicht mehr verbergen. Er kam auf meine Stube, und ſagte mir alles. Ich gab ihm das Geld, das ich hatte; denn meine Bedürfniſſe waren ſehr gering geweſen, und ich hatte einen großen Theil meiner Einkünfte erſparen können. Ich öffnete die ſchmalen oberen Fä¬ cher meiner Käſten, und legte alles mein Silber auf unſern eichenen Lerntiſch heraus, und both es ihm an. Er ſagte, daß das nicht reiche, um das Haus und das Geſchäft zu retten, und er weigerte ſich, es anzu¬ nehmen. Auch das Gericht machte keine Foderung an mich, aber ich konnte es nicht leiden, daß mein Bru¬ der etwas unerfüllt ließe, und ſein Gewiſſen belaſtete, ich that daher alles zu den andern Werthen. Es reichte zuſammen hin, daß allen Gläubigern ihre Fo¬ derungen ausgezahlt, und ſie bis auf das Genaueſte befriediget werden konnten. Allein unſer ſchönes Haus mit ſeinem hinteren Flügel und unſer ſchöner Garten war verloren.“ „Ich weiß nicht, welche andere Schläge noch ka¬ men; aber auch die Ausſicht, mit dem ausſtehenden Gelde noch ein kleines Geſchäft einzuleiten, und uns nach und nach wieder empor zu ſchwingen, war in kur¬ zer Zeit vereitelt.“ „Mein Bruder, welcher unverheirathet war, grämte ſich ſo, daß er in ein Fieber verfiel, und ſtarb.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/182>, abgerufen am 24.11.2024.