neue Stadt ist; denn die Häuser werden immer nach neuer Art und zu dem Zweke der Benüzung umge¬ baut, alte unveränderliche Denkmale wie etwa die Kirche von Sanct Stephan gibt es zu wenige, als daß sie der Stadt ein allgemeines Aussehen aufdrüken könnten, und so sieht sie immer wie eine von gestern aus. Das alte Perronsche Haus stand an der Haupt¬ straße der Vorstadt, in welcher wir wohnten, und war nicht gar weit von unserer Wohnung entfernt. Es hatte noch die Eigenthümlichkeit, welche die jezigen jungen Bewohner der Hauptstadt nicht mehr kennen, daß es unterirdische Wohnungen hatte. Die Fenster solcher Wohnungen gingen gewöhnlich dicht an dem Pflaster der Straßen heraus. Sie waren nicht sehr groß, hatten starke eiserne Stäbe, hinter denen sich gewöhnlich noch ein dichtes eisernes Drahtgitter be¬ fand, das, wenn der Bewohner nicht besonders rein¬ lichkeitliebend war, mit dem hingeschleuderten und getrokneten Kothe der Straße bedekt war, und einen traurigen Anblik gewährte. Das Perronsche Haus war auch ohnedem schon ein sehr altes Haus, es sah schwarz aus, und hatte Verzierungen aus sehr alten Zeiten. Es ging nur mit seiner schmäleren Seite auf die Straße, mit den größeren Räumen ging es gegen einen Garten zurük. Es hatte ein kleines Pförtlein,
15*
neue Stadt iſt; denn die Häuſer werden immer nach neuer Art und zu dem Zweke der Benüzung umge¬ baut, alte unveränderliche Denkmale wie etwa die Kirche von Sanct Stephan gibt es zu wenige, als daß ſie der Stadt ein allgemeines Ausſehen aufdrüken könnten, und ſo ſieht ſie immer wie eine von geſtern aus. Das alte Perronſche Haus ſtand an der Haupt¬ ſtraße der Vorſtadt, in welcher wir wohnten, und war nicht gar weit von unſerer Wohnung entfernt. Es hatte noch die Eigenthümlichkeit, welche die jezigen jungen Bewohner der Hauptſtadt nicht mehr kennen, daß es unterirdiſche Wohnungen hatte. Die Fenſter ſolcher Wohnungen gingen gewöhnlich dicht an dem Pflaſter der Straßen heraus. Sie waren nicht ſehr groß, hatten ſtarke eiſerne Stäbe, hinter denen ſich gewöhnlich noch ein dichtes eiſernes Drahtgitter be¬ fand, das, wenn der Bewohner nicht beſonders rein¬ lichkeitliebend war, mit dem hingeſchleuderten und getrokneten Kothe der Straße bedekt war, und einen traurigen Anblik gewährte. Das Perronſche Haus war auch ohnedem ſchon ein ſehr altes Haus, es ſah ſchwarz aus, und hatte Verzierungen aus ſehr alten Zeiten. Es ging nur mit ſeiner ſchmäleren Seite auf die Straße, mit den größeren Räumen ging es gegen einen Garten zurük. Es hatte ein kleines Pförtlein,
15*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0240"n="227"/>
neue Stadt iſt; denn die Häuſer werden immer nach<lb/>
neuer Art und zu dem Zweke der Benüzung umge¬<lb/>
baut, alte unveränderliche Denkmale wie etwa die<lb/>
Kirche von Sanct Stephan gibt es zu wenige, als<lb/>
daß ſie der Stadt ein allgemeines Ausſehen aufdrüken<lb/>
könnten, und ſo ſieht ſie immer wie eine von geſtern<lb/>
aus. Das alte Perronſche Haus ſtand an der Haupt¬<lb/>ſtraße der Vorſtadt, in welcher wir wohnten, und war<lb/>
nicht gar weit von unſerer Wohnung entfernt. Es<lb/>
hatte noch die Eigenthümlichkeit, welche die jezigen<lb/>
jungen Bewohner der Hauptſtadt nicht mehr kennen,<lb/>
daß es unterirdiſche Wohnungen hatte. Die Fenſter<lb/>ſolcher Wohnungen gingen gewöhnlich dicht an dem<lb/>
Pflaſter der Straßen heraus. Sie waren nicht ſehr<lb/>
groß, hatten ſtarke eiſerne Stäbe, hinter denen ſich<lb/>
gewöhnlich noch ein dichtes eiſernes Drahtgitter be¬<lb/>
fand, das, wenn der Bewohner nicht beſonders rein¬<lb/>
lichkeitliebend war, mit dem hingeſchleuderten und<lb/>
getrokneten Kothe der Straße bedekt war, und einen<lb/>
traurigen Anblik gewährte. Das Perronſche Haus war<lb/>
auch ohnedem ſchon ein ſehr altes Haus, es ſah<lb/>ſchwarz aus, und hatte Verzierungen aus ſehr alten<lb/>
Zeiten. Es ging nur mit ſeiner ſchmäleren Seite auf<lb/>
die Straße, mit den größeren Räumen ging es gegen<lb/>
einen Garten zurük. Es hatte ein kleines Pförtlein,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">15*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[227/0240]
neue Stadt iſt; denn die Häuſer werden immer nach
neuer Art und zu dem Zweke der Benüzung umge¬
baut, alte unveränderliche Denkmale wie etwa die
Kirche von Sanct Stephan gibt es zu wenige, als
daß ſie der Stadt ein allgemeines Ausſehen aufdrüken
könnten, und ſo ſieht ſie immer wie eine von geſtern
aus. Das alte Perronſche Haus ſtand an der Haupt¬
ſtraße der Vorſtadt, in welcher wir wohnten, und war
nicht gar weit von unſerer Wohnung entfernt. Es
hatte noch die Eigenthümlichkeit, welche die jezigen
jungen Bewohner der Hauptſtadt nicht mehr kennen,
daß es unterirdiſche Wohnungen hatte. Die Fenſter
ſolcher Wohnungen gingen gewöhnlich dicht an dem
Pflaſter der Straßen heraus. Sie waren nicht ſehr
groß, hatten ſtarke eiſerne Stäbe, hinter denen ſich
gewöhnlich noch ein dichtes eiſernes Drahtgitter be¬
fand, das, wenn der Bewohner nicht beſonders rein¬
lichkeitliebend war, mit dem hingeſchleuderten und
getrokneten Kothe der Straße bedekt war, und einen
traurigen Anblik gewährte. Das Perronſche Haus war
auch ohnedem ſchon ein ſehr altes Haus, es ſah
ſchwarz aus, und hatte Verzierungen aus ſehr alten
Zeiten. Es ging nur mit ſeiner ſchmäleren Seite auf
die Straße, mit den größeren Räumen ging es gegen
einen Garten zurük. Es hatte ein kleines Pförtlein,
15*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/240>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.